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Das Wichtigste zur konkreten Verweisung in der BU auf einen Blick

  • Die konkrete Verweisung regelt, ob Du weiterhin Leistung aus Deiner BU bekommst, wenn du während Deiner Berufsunfähigkeit freiwillig einen anderen Beruf ausübst.
  • Entscheidende Kriterien sind hier u.A. das soziale Ansehen des "neuen" Berufs, das Gehalt & die Lebensstellung. Sind diese ähnlich Deiner Lebenssituation bevor du berufsunfähig wurdest, stellt der Versicherer die Leistung in der Regel ein.
  • Es gab bereits etwas länger einen Teilverzicht auf die konkrete Verweisung von einigen Versicherern für bestimmte Berufsgruppen.
  • Der HDI verzichtet seit dem letzten BU-Update (aktuell als einzige Gesellschaft) komplett für alle Berufe auf die konkrete Verweisung. 

1. Was ist die konkrete Verweisung in der BU?

Im Rahmen der konkreten Verweisung kann der Versicherer die Leistung einstellen oder feststellen, dass kein Leistungsfall vorliegt, wenn der Versicherungsnehmer tatsächlich eine neue Tätigkeit ausübt, die der Lebensstellung entspricht, die er im zuletzt ausgeübten Beruf hatte, bevor gesundheitliche Beeinträchtigungen auftraten. Das bedeutet, wenn der Versicherte eine andere Arbeit findet, die ähnlich zu seiner vorherigen Berufstätigkeit ist, kann der Versicherer die Zahlungen einstellen.

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Was unterscheidet abstrakte und konkrete Verweisbarkeit?

Im Gegensatz zur abstrakten Verweisung kann ein Versicherer die Leistung bei der konkreten Verweisung nur verweigern, wenn Du aus eigenem Willen eine neue berufliche Tätigkeit aufnimmst und dieser der bisherigen Lebensstellung entspricht.

Durchaus ein bisschen kompliziert zusammengefasst, aber eigentlich leicht verständlich. Wichtig für Dich zu wissen = ein Versicherer kann nach erfolgtem Leistungsanerkenntnis nicht verlangen, dass Du einen neuen Beruf ausübst. Deshalb gibt es ja den Verzicht auf die abstrakte Verweisung, welche Du mit sehr großer Wahrscheinlichkeit in Deinen Vertragsbedingungen vorfindest. Aber was ist, wenn Du aus freien Stücken während der Leistungsphase der BU einen anderen Beruf ausübst? Wie geht der Versicherer damit um? Das beschreibt die konkrete Verweisung.


2. Konkrete Verweisung in der Praxis - darf ich im Leistungsfall noch einen anderen Beruf ausüben?

Der Jurist würde sagen - es kommt darauf an!
Grundsätzlich sind wir klar der Meinung, dass der Mensch an sich eine Aufgabe im Leben benötigt und dies oftmals auch gerne tut. Somit ist es nichts Ungewöhnliches, dass man während einer Berufsunfähigkeit eine Aufgabe sucht (soweit natürlich gesundheitlich möglich - bei einer Chemotherapie ist dies sicherlich nicht der Fall). Sei es aus sozialen (=ich möchte wieder unter Menschen sein), persönlichen (=mir fällt daheim die Decke auf dem Kopf) oder finanziellen Gründen (die BU-Rente wurde zu gering abgeschlossen oder es fehlt so etwas wie eine garantierte Rentensteigerung im Leistungsfall = die Rente wird aufgrund der Inflation immer geringer). Der Versicherer darf dann aber nicht einfach die Leistung einstellen, obwohl Du aus freien Stücken wieder eine Tätigkeit ausübst. Diese ist an enge Kriterien gebunden.

Wann darf ich bei der konkreten Verweisung noch eine andere Tätigkeit ausüben?

  • Die aktuell ausgeübte Tätigkeit muss den Qualifikationen und bisherigen Lebensumständen der versicherten Person entsprechen.
  • Die Tätigkeit darf nicht auf Kosten der Gesundheit der versicherten Person gehen (Stichwort: Überobligation).
  • Bei der Berücksichtigung der bisherigen Lebensumstände werden sowohl das Einkommen, als auch die soziale Wertschätzung vor dem Eintritt der gesundheitlichen Beschwerden berücksichtigt. Dies ist insbesondere wichtig, wenn bereits vorher krankheitsbedingte Einkommenseinbußen aufgetreten sind.
  • Eine maximal zumutbare Einkommensminderung wird oftmals auf 20 Prozent begrenzt (bei älteren Vertragswerken kann diese Zahl auch abweichen - zu Ungunsten der versicherten Person (20 Prozent sind derzeit so etwas wie der Standard).
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Du musst freiwillig einen neuen Beruf ausüben!

Über allem steht immer:

  • Ein Versicherer kann die konkrete Verweisung bei Dir nur prüfen, wenn Du aus freien Stücken eine neue berufliche Tätigkeit ausübst.
  • Du wirst also nicht gezwungen.

Sehen wir uns in diesem Kontext mal die Beschreibung der LV 1871 Berufsunfähigkeitsversicherung zur konkreten Verweisung an:

Konkrete Verweisung 

Berufsunfähigkeit liegt nicht vor, wenn die versicherte Person eine andere Tätigkeit konkret ausübt und die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind: 

  • Das Leistungsvermögen der versicherten Person für die neue Tätigkeit im Sinne von Absatz 1 a) muss mindestens 50 Prozent betragen. 
  • Die versicherte Person muss über die Ausbildung und die Fähigkeiten verfügen, die zur Ausübung der neuen Tätigkeit erforderlich sind.
  • Die Tätigkeit muss der bisherigen Lebensstellung der versicherten Person entsprechen. 

Die bisherige Lebensstellung ergibt sich aus dem erzielten Einkommen und der sozialen Wertschätzung des Berufs. Eine der bisherigen Lebensstellung entsprechende berufliche Tätigkeit wird ausgeübt, wenn das erzielte Einkommen nicht spürbar unter das Niveau des zuletzt erzielten Einkommens absinkt. Auch die soziale Wertschätzung muss vergleichbar sein. Eine Minderung des regelmäßigen Bruttoeinkommens von 20 Prozent oder mehr gegenüber dem regelmäßigen Bruttoeinkommen des bisher ausgeübten Berufs ist nicht zumutbar. Sollte die künftige Rechtsprechung geringere Zumutbarkeitsgrenzen festlegen, werden wir diese Grenzen zu Ihren Gunsten anwenden. In begründeten Einzelfällen kann auch eine Einkommenseinbuße unter 20 Prozent unzumutbar sein.

Quelle: Vertragsbedingungen Golden BU LV 1871 11 / 2023

Bei der nicht ganz unbekannten Hannoverschen Berufsunfähigkeitsversicherung finden wir folgenden Hinweis:

“ Berufsunfähigkeit liegt vor, wenn ….

……sie auch keine andere Tätigkeit ausübt, die ihrer bisherigen Lebensstellung vor Eintritt des Versicherungsfalls entspricht. 

Eine der bisherigen Lebensstellung entsprechende Tätigkeit darf keine deutlich geringeren Kenntnisse und Fähigkeiten erfordern und auch hinsichtlich Vergütung und sozialer Wertschätzung nicht spürbar unter das Niveau des bislang ausgeübten Berufs absinken. Die zumutbare Minderung des Einkommens und der sozialen Wertschätzung richtet sich dabei nach den individuellen Gegebenheiten gemäß den Vorgaben der höchstrichterlichen Rechtsprechung.

Wir begrenzen die für die versicherte Person zumutbare Einkommensreduzierung im Vergleich zum jährlichen Bruttoeinkommen (inkl. Sonder- und Bonuszahlungen) im zuletzt ausgeübten Beruf vor Eintritt der gesundheitlichen Beeinträchtigungen auf die derzeit seitens der Rechtsprechung vorgegebene Höchstgrenze von maximal 20 %. Sollte die höchstrichterliche Rechtsprechung einen niedrigeren Prozentsatz festlegen, werden wir diesen zu Ihren Gunsten anwenden. In begründeten Einzelfällen kann auch bereits heute eine unter 20 % liegende Einkommensminderung unzumutbar in diesem Sinne sein.

Quelle. Vertragsbedingungen Hannoversche Berufsunfähigkeitsversicherung 11 / 2023

Wie man auch bei der Hannoverschen sieht, zieht sich die Thematik rund um die Lebensstellung, soziale Wertschätzung sowie die Einkommensreduzierung wie ein roter Faden quasi durch alle Vertragswerke am Markt. Bis auf einige Ausnahmen, auf die wir jetzt dann noch kommen. 

Die konkrete Verweisung findet Anwendung - der Versicherer stellte die Leistung ein

Unser Beispiel ist Maurer und wird aufgrund eines Bandscheibenvorfalls berufsunfähig. Die Leistung wird ihm ohne Probleme anerkannt, auch eine vorvertragliche Anzeigepflichtverletzung lag nicht vor. Nun schult unser Maurer aber freiwillig um und wird Bauzeichner. Schließt die Ausbildung ab und arbeitet jetzt Vollzeit als Bauzeichner mit ungefähr demselben Gehalt wie vorher. In diesem Beispiel würde der BU-Versicherer nun seine Leistung einstellen, denn

  • Das soziale Ansehen ist bei einem Bauzeichner mindestens genauso hoch wie bei einem Maurer
  • Das Gehalt bewegt sich ebenso als Bauzeichner im selben Bereich wie als Maurer
  • Somit ist die Lebensstellung gewahrt 

Der Versicherer stellt seine Leistung ein.

Beispiel - die konkrete Verweisung findet beim Allgemeinarzt nicht statt

Als weiteres Beispiel haben wir einen Arzt. Dieser erkrankt, es wird ihm alles ein bisschen zu viel und somit wird sein BU-Leistungsantrag anerkannt. Da unser Arzt nicht nur den ganzen Tag daheim sitzen möchte und an sich einfache Tätigkeiten ausüben kann, arbeitet er noch auf 20h Basis nebenbei in einem Kindergarten als Hausmeister (= Mädchen für alles), da ihm das Umfeld mit Kindern seelisch gut tut. Der Versicherer leistet weiterhin die vertragliche BU-Rente, denn

  • Das soziale Ansehen eines Hausmeisters im Kindergarten ist bei weitem nicht so hoch wie das eines Arztes
  • Das Gehalt eines Arztes wird auch über dem eines Hausmeisters liegen
  • Die bisherige Lebensstellung des Arztes ist somit bei weitem höher als die eines Hausmeisters (auch wenn dieser natürlich einen sehr wichtigen Beitrag für die leistet)

Die Berufsunfähigkeitsversicherung leistet weiter und kann unseren Arzt somit nicht konkret verweisen.

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3. Bei Akademikern ist eine konkrete Verweisung in der Praxis nur schwer möglich

Die meisten Interessenten von uns sind Akademiker wie Ärzte, wissenschaftliche Mitarbeiter, Kammerberufler(wie Steuerberater, Notare, Rechtsanwälte), Ingenieure, MINTler oder natürlich angehende Akademiker und derzeit noch Studenten bzw. Schüler (hier folgt der Abschluss i.d.R. über die Eltern). Von daher ist natürlich die Vorgehensweise bei der konkreten Verweisung für diese Zielgruppe am meisten interessant. Ganz nüchtern gesehen sehen wir hier nur sehr wenige Fälle, wie einem Akademiker die Berufsunfähigkeitsrente eingestellt wird, aufgrund einer gerade anderen ausgeübten Tätigkeit. 

Die neue berufliche Tätigkeit muss - dies gilt insbesondere für Akademiker: 

  • Der bisherigen Lebensstellung sowie sozialen Wertschätzung entsprechen
  • Ebenso darf es nur zu geringen Gehaltseinbußen führen

Uns fehlt es aus der Praxis ein bisschen an der Phantasie, welche Aufgaben ein Rechtsanwalt noch ausüben und konkret verwiesen werden kann, wenn er nach einem erfolgten Leistungsfall noch eine andere Tätigkeit ausübt. Die Lebensstellung eines Rechtsanwaltes ist schon sehr hoch. Vielleicht als juristischer Sachbearbeiter in einem Unternehmen - vom Gehalt her dürfte es vielleicht ähnlich sein, aber die soziale Wertschätzung wird als Anwalt noch höher sein.

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Was ist die Lebensstellung in der BU-Versicherung?

Die Lebensstellung wird anhand einer angemessenen Reduzierung des Einkommens und der sozialen Wertschätzung im Beruf vor dem Eintritt des BU-Leistungsfalles definiert. Dabei wird berücksichtigt, wie dieser Beruf ohne gesundheitliche Beeinträchtigungen ausgeübt wurde. Eine konkrete Verweisung ist nicht zulässig, wenn die neue Tätigkeit in Bezug auf Einkommen oder soziale Wertschätzung deutlich unter dem Niveau der Lebensstellung im ursprünglichen Beruf liegt.

Aber natürlich gibt es vielleicht den Außendienstmitarbeiter eines Pharmaunternehmens, welcher jährlich 60.000 Kilometer im Auto abspult und somit längere Strecken fährt. Aufgrund eines Bandscheibenvorfalls wird er berufsunfähig, zeitgleich bietet ihm sein Arbeitgeber aber eine Stelle im Innendienst an, zum selben Gehalt. Hier kann es vorkommen, dass der Versicherer dann die Leistung einstellen würde, da das Gehalt identisch ist und Lebensstellung vielleicht ebenso. 

Je körperlicher, handwerklicher oder sozialer ein Beruf, desto höher kann eine konkrete Verweisung erfolgen, falls der versicherte Kunde im Leistungsfall aus freiwilligen (!) Stücken eine neue Tätigkeit ausübt. Je akademischer und besser das Gehalt geprägt, desto schwieriger. In der Praxis dürfte dies aber insbesondere bei Akademikern keine Rolle spielen.

Die Ratingagentur Franke & Bornberg hat im Oktober 2022 eine Stichprobe von über 23.000 Leistungsfällen untersucht, weshalb diese eingestellt wurden. Nur zu drei Prozent lag dies an der konkreten Verweisung und hier sind alle Maurer, Krankenschwester und Fliesenleger in der Statistik.

Die konkrete Verweisung dürfte also für Personen mit hohem Bildungsgrad und gutem Gehalt eine nur sehr geringe Rolle spielen. Es gibt aber sicherlich die Fälle….Aber was passiert dann eigentlich schlimmstenfalls? Der Versicherer stellt die Leistung ein, da man aus freien Stücken wieder an der Gesellschaft teilnimmt und einen Job ausübt, der einem hoffentlich Freude macht. Also es gibt Schlimmeres in unseren Augen, als konkret verwiesen zu werden 🙂.


4. Teilverzicht der konkreten Verweisung für Ärzte, Anwälte Steuerberater und Co. bei einigen Versicherern

Manche Versicherer haben es ebenso erkannt und sehen für sich selbst kein so großes Risiko bei der konkreten Verweisung für bestimmte Berufe. 

Die Baloise BU-Versicherung verzichtet bei einigen Berufen auf die konkrete Verweisung:

Ist die versicherte Person Arzt/Ärztin, Zahnärztin/ Zahnarzt, Tierarzt/Tierärztin, Apotheker/in, Anwältin/Anwalt, Notar/in, Steuerberater/in oder Wirtschaftsprüfer/in, gilt: Wir verzichten auf eine konkrete Verweisung, wenn die ausgeübte Tätigkeit nicht zur Führung der gleichen Berufsbezeichnung berechtigt. Beispiele: Bei einer Tierärztin verweisen wir konkret nur auf andere Tätigkeiten, die nur von Tierärzten und Tierärztinnen ausgeübt werden dürfen. Bei einem Rechtsanwalt verweisen wir konkret nur auf andere Tätigkeiten, für die man als Rechtsanwalt oder Rechtsanwältin zugelassen sein muss. Wenn ein vormaliger Rechtsanwalt zum Beispiel als Unternehmensberater tätig ist, verweisen wir nicht auf diese Tätigkeit. Ein Unternehmensberater ist aufgrund seiner Tätigkeit nicht berechtigt, die Berufsbezeichnung als Rechtsanwalt zu führen

Quelle: Vertragsbedingungen Baloise 01 / 2024

Ebenso finden wir auch bei der Nürnberger Berufsunfähigkeitsversicherung eine ähnliche Formulierung:

Ist die versicherte Person Arzt, Zahnarzt, Tierarzt, Apotheker, Rechtsanwalt, Notar, Steuerberater und/oder Wirtschaftsprüfer, beschränken wir uns bei einer konkreten Verweisung auf andere für die versicherte Person in diesem konkreten Beruf zulässige Tätigkeiten (d. h. wir verweisen z. B. einen Tierarzt konkret nur auf andere für Tierärzte zulässige Tätigkeiten, einen Rechtsanwalt nur auf andere für Rechtsanwälte zulässige Tätigkeiten, usw.).

Quelle: Vertragsbedingungen Nürnberger 04 / 2024

Die DANV (Deutsche Anwalts- und Notarversicherung) wirbt als Tochter der großen Ergo BU-Versicherung auch extrem stark mit dem Hinweis, dass auf die konkrete Verweisung im Leistungsfall verzichtet wird. Die DANV können nur Anwälte und Notare abschließen, von daher sind wir wieder im selben Schema wie die Baloise und die Nürnberger unterwegs, nur die beiden Versicherer sind ein bisschen ruhiger unterwegs. Das Marketing der DANV ist somit sehr gut, aber eigentlich nicht sooo besonderes. Aber insbesondere Anwälte haben gerne ein Bonbon oben drauf, da macht es sich gut (ähnlich wie bei Ärzten). In den AVB ́s ist es so geregelt:

Sofern Sie den DANV-Tarif abgeschlossen haben, gilt zusätzlich: Ist nach erfolgreichem Abschluss einer Ausbildung oder eines Studiums der zuletzt ausgeübte Beruf dem Bereich der rechts-, wirtschafts-, steuerberatenden oder wirtschaftsprüfenden Berufe oder diesen nach Ausbildung, Kenntnissen oder Fähigkeiten gleichzustellenden Berufen zurechenbar, prüfen wir nicht, ob die versicherte Person noch eine andere Tätigkeit wahrnimmt oder wahrnehmen kann.
Wir verzichten bei diesem Personenkreis damit auch auf die Möglichkeit der konkreten Verweisung.

Quelle. DANV Ergo Vertragsbedingungen 04 / 2024

Wir denken, dass wir hier erst den Anfang gesehen haben - immer mehr Versicherer dürften den Verzicht auf die konkrete Verweisung für manche akademische Berufe mit in die Vertragsbedingungen aufnehmen. Der dynamische Marktdruck hält hier an, spätestens ab dem kompletten Verzicht der konkreten Verweisung, auf die wir jetzt gleich kommen.


5. Kompletter Verzicht auf die konkrete Verweisung - Welcher Versicherer bietet dies an?

Seit 01 / 2024 verzichtet die HDI-Versicherung komplett auf die konkrete Verweisung

Den kompletten Vogel schießt die HDI Berufsunfähigkeitsversicherung ab, denn die macht es uns allen jetzt extrem einfach. Es gibt schlichtweg den Begriff der konkreten Verweisung in ihren Vertragsbedingungen nicht mehr. 

Der HDI hat es relativ schön aufgezeigt, wie bisher eine Verweisung möglich gewesen wäre:

Thematik abstrakte Verweisung war natürlich bisher schon nicht möglich seit gefühlt drei Jahrzehnten, aber bei der konkreten Verweisung gab es noch offene Lücken. Wobei der HDI seit einer ewig langen Zeit in der Erstprüfung den Verzicht auf die konkrete Verweisung mit dabei hatte. Mit dem Update 01 / 2024 des HDI zum Verzicht auf die konkrete Verweisung wird nun komplett auf diesen Passus vonseiten des Versicherers verzichtet. Da traut man sich also durchaus etwas zu.

Die konkreten Spielregeln zum Verzicht auf die konkrete Verweisung fasste der HDI auch nochmals zusammen:

Diese Meldung schlug praktisch ein wie eine Bombe und nicht wenige Versicherer fragten bei uns direkt an und sagten “Was haltet Ihr denn vom Verzicht auf die konkrete Verweisung, wir waren erstmals ganz baff bei uns im Hause”. Diese eklatante Verbesserung gilt aber nicht für Altverträge, sondern nur ab Abschluss 01 / 2024. Die Gesundheitsfragen des HDI bleiben identisch, ebenso gibt es für diesen Mehrwert in den Vertragsbedingungen auch keinen Mehrbeitrag / Zusatzprämie zu entrichten.

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Beispiel der konkreten Verweisung bei einem Maurer

  • Der (junge) Maurer wird berufsunfähig und erhält Leistung
  • Schult um zum Bauzeichner und bekommt dort das selbe Gehalt
  • Die HDI stellt die Leistung nicht ein und zahlt bis Vertragsende (meistens bis Endalter 67)
  • Die versicherte Person hat also doppeltes Gehalt

Nüchtern gesehen geht hier der Sinn einer Versicherung auch ein bisschen verloren, wenn man dieselbe Tätigkeit, dieselbe Lebensstellung und die praktisch mindestens dasselbe Einkommen hat. Es ist schon krass, dass der HDI nun sowohl in der Erst- als auch in der Nachprüfung auf die konkrete Verweisung verzichtet.
Klar, die HDI Versicherung ist insbesondere bei handwerklichen Berufen extrem teuer und hat somit den Verzicht auf die konkrete Verweisung irgendwie einkalkuliert, aber trotzdem kann dies schon ein erhebliches Risiko für den Versicherer, aber auch für die Versichertengemeinschaft sein. Erhalten zu viele Personen Leistungen und genügen die Einnahmen nicht für die Ausgaben, gibt es zwei Möglichkeiten:

Viel mehr Möglichkeiten hat ein Versicherer schon nicht mehr, wenn die Ausgaben viel stärker steigen als die Einnahmen. Diese Thematik sollte man durchaus im Auge behalten, denn die besten Leistungen für alle sind immer schön und gut, aber diese müssen auch bezahlbar sein. 

Tipp

Alleinstellungsmerkmal am deutschen Markt

Die HDI & Bayerische Versicherung sind nach unserem Kenntnisstand die einzigen Gesellschaft mit dem Verzicht auf konkrete Verweisung für alle Berufe!

  • Ist Dir der Verzicht auf die konkrete Verweisung also wichtig, dann findest Du beim HDI & Bayerische die optimale Lösung (für manche Berufe auch bei anderen Versicherern).

Verkürzte Gesundheitsfragen beim HDI für viele Berufsgruppen!

In unseren Augen ist der HDI so etwas wie die Mutter aller verkürzten Gesundheitsfragen. Auch wenn weniger Antragsfragen als sonst beantwortet werden müssen - auch bei folgenden Aktionen wird auf die konkrete Verweisung verzichtet:

Es gibt also wirklich sehr viele Möglichkeiten, auch mit einer verkürzten Gesundheitsprüfung den Verzicht auf die konkrete Verweisung bei der HDI BU-Versicherung zu bekommen.

So sieht übrigens ein Morgen & Morgen Vergleich (Ratingagentur) aus zur konkreten Verweisung!

Wie man sieht, fällt das “Votum” von Morgen & Morgen für die XY hart aus - rot. Baloise wäre gelb, der HDI würde hier nun die zufriedenstellende Lösung bieten.

Einer der größten “Gewinner” bei der aktuellen Dynamik zur konkreten Verweisung in der Berufsunfähigkeitsversicherung dürften somit Ratingagenturen und Vergleichsportale sein - endlich gibt es wieder einen Punkt, wo sich Versicherer mit ihren Tarifen stärker unterscheiden. In ganz vielen weiteren Punkten hat man sich ja mittlerweile extrem angeglichen und bietet sehr ähnliche Leistungen an. Aber Vergleichsrechner und Analysehäuser leben bekanntlich von Unterschieden, denn sonst macht man sich selber ja irgendwie überflüssig. Die Thematik rund um den Verzicht auf die konkrete Verweisung ist somit fast schon so ein bisschen wie ein Segen.

Die Bayerische verzichtet seit 07 / 2024 auch auf die konkrete Verweisung im Tarifbaustein Prestige

Nur ein halbes Jahr musste man warten, bis der nächste Versicherer mit der Bayerischen um die Ecke kommt. Man verzichtet nun auch auf die konkrete Verweisung, im Detail aber ein bisschen unterschiedlich zum HDI:

  • Es muss dafür der Tarifbaustein Prestige angewählt werden, d.h., der Verzicht auf die konkrete Verweisung ist nicht automatisch mit dabei. 
  • Der Mehrbeitrag liegt bei ca. 18-20 Prozent (wobei man fairerweise sagen muss, dass es noch weitere Zusatzleistungen im Baustein Prestige gibt)
  • Die konkrete Verweisung gilt aber nicht bei Schülern, Studenten, Hausfrauen, Beamten, Richtern und Soldaten. Das dürfte aber zu verschmerzen sein. 

Mehr dazu findest Du auch im Blogartikel zum Sommerupdate der Bayerischen 2024

Grundsätzlich finden wir es gut und fair, dass so ein prägnanter Eingriff an Mehrleistung man sich auch bezahlen lässt bzw. es die anderen nicht mittragen müssen. 

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6. Interessante Gedanken eines Vorstandes zur konkreten Verweisung & Pro und Contra

Der Verzicht vonseiten des HDI zur konkreten Verweisung schlägt hohe Wellen. Nicht nur am Vermittlermarkt, sondern auch natürlich bei dem Versicherer.  Ein bisschen wird mit dem kompletten Verzicht auf die konkrete Verweisung ja der Versicherungsgedanke ausgehebelt. Langfristig kann sich dies sehr negativ auswirken.

In diesem Zusammenhang fanden wir einen LinkedIn Beitrages von Dr. Klaus Math, Vorstandsmitglied der LV 1871 für sehr nachdenkenswert. Diesen möchten wir Dir nicht vorenthalten. 

Manche Entwicklungen irritieren mich auch nach über 25 Jahren in unserer Branche noch. Aktuelles Beispiel: Ein grundsätzlicher Verzicht auf konkrete Verweisung in der Berufsunfähigkeitsversicherung. Bei aller Kundenzentrierung in der Produktentwicklung: ist es wirklich im Sinne des Kunden, wenn der grundlegende Gedanke einer effizienten Absicherung existenzieller Lebensrisiken aufgegeben wird – etwa für weniger Aufwand im Leistungsfallprozess? Und zu welchem Preis?

Bei der so genannten „konkreten Verweisung“ kann der Versicherer im Rahmen der Leistungsfallprüfung auf einen tatsächlich ausgeübten (=konkret) anderen (als den versicherten) Beruf verweisen und (das Kollektiv) bleibt dadurch leistungsfrei. Voraussetzungen sind ein vergleichbares Gehaltsniveau und eine vergleichbare soziale Stellung im neuen Job. Ich frage mich, warum jemand, der damit insbesondere keiner existenziellen Notlage (mehr) ausgesetzt ist, eine (zusätzliche) Versicherungsleistung erhalten sollte?

Neben den Fällen, die heute in der Leistungsprüfung tatsächlich konkret auf ein neues Jobprofil verwiesen werden, sollte auch bedacht werden, dass es ein „Dunkelfeld“ gibt, z.B. bei denjenigen, die aus gesundheitlichen Gründen einmal den Job gewechselt oder nach einem Jobwechsel gesundheitliche Beeinträchtigungen erfahren haben und in ihrem alten Beruf nicht mehr arbeiten könnten, und die sich heute - gerade wegen ihres weiterhin erzielten Einkommens in einem anderen, neuen Jobprofil und einer damit einhergehenden natürlichen Bedarfslosigkeit – nicht mit einem Leistungsanspruch melden. Dieses „Dunkelfeld“ ist schwer zu kalkulieren, aber sicher nicht irrelevant. Stellt man sich jetzt noch eine interessierte, kundige „Vertretungsindustrie“ vor, mit einem Ansatz für systematische Leistungsanmeldungen bei Aussicht auf „doppeltes Gehalt“ …

Ich sehe in dieser vermeintlich kundenfreundlichen Verzichtslösung ein nicht unerhebliches Potenzial, das Versichertenkollektiv nachhaltig zu schädigen (vergleiche hierzu auch Dr. Frank Schiller, Chef-Aktuar Leben, MunichRe, AssCompact online vom 7. Mai 2024) – und dies vor dem Hintergrund des eigentlichen Versicherungsgedankens für mich sinnlos.

Die Konsequenz müssten am Ende dann alle Versicherten tragen, bspw. in Form von Prämienerhöhungen oder ertragsbedingter rigiderer Leistungsprüfung für die „echten“ BU-Fälle. In letzter Konsequenz kann man sich auch vorstellen, dass noch weniger Jobprofile zu sinnvollen Konditionen versichert werden können, auch weil die heute schon eher teuren Berufsgruppen voraussichtlich besonders betroffen sind.

Ich bin ein großer Freund ganzheitlicher Produktentwicklung, die die Interessen von Vertrieb, Kunde und Anbieter in höchstmöglichen Einklang bringt, damit wir als Branche langfristig bezahlbaren und sinnvollen Versicherungsschutz für existenzielle (!) Lebensrisiken bieten können – und damit unserer wertvollen gesellschaftlichen Aufgabe gerecht werden.

Und als solcher hoffe ich, dass qualifiziert beratende, vorausschauende Makler die Entwicklung prägen und echten Kundenutzen von, für mich nur auf den ersten Blick kundenfreundlichen Bedingungsklauseln, trennen. Letztlich entscheidet der Markt…

Kommentar von Dr. Klaus Math auf LinkedIn am 19.06.2024

An dieser Aussage ist durchaus etwas dran und regt auch zum Blick über den Tellerrand an. Entfernen wir uns jetzt nicht weiter vom Versicherungsgedanken? Warum sollte es noch Leistung geben, wenn ich dasselbe Gehalt und dieselbe Wertschätzung bekommen? Was macht es mit dem Versichertenkollektiv, stabilen Beiträgen und somit der Zukunftsfähigkeit? Durchaus provokante Fragen, welche man sich stellen darf. 

Zudem gab es im Biometriekongress auch die große Thematik mit dem Verzicht auf die konkrete Verweisung mit seinen Vor- und Nachteilen.

Finden wir zum Nachdenken ganz gut und geben Dir Neutral einfach mal weiter:

Vorteile des Verzicht auf die konkrete Verweisung

  • Klare Regelung: Verzicht auf jegliche Verweisung.
  • Wer in seinem Beruf BU ist, soll auch die Leistung bekommen – egal, ob er freiwillig etwas anderes arbeitet.
  • Ein wirklich werthaltiges neues Produktfeature! Insb. geeignet für zahlungskräftige Kunden.
  • Versicherte Renten sind oft niedrig – manch einer muss vielleicht sogar nebenher arbeiten, um leben zu können.
  • Warum Leuten, die BU sind, das Arbeiten in einem ähnlichen Job verbieten?  Gesellschaftspolitisch ist das nicht sinnvoll. (Fachkräftemangel!)

Nachteile beim Verzicht auf die konkrete Verweisung

  • Nicht bedarfsgerecht und kollektivschädigend: Maxi Mustermann verdient im neuen Job so viel wie vorher, er braucht keine BU-Rente. Andere Versicherte müssen dies durch Mehrbeiträge finanzieren.
  • Moral Hazard – Grundprinzip bei Versicherungen: Wenn ich im Leistungsfall mehr Geld bekomme als vorher, steigt das Risiko des Versicherungsfalls signifikant – gerade bei der BU spielen subjektive Risiken eine große Rolle!
  • Das „Feature“ ist teuer. Sollte man den Zusatzbeitrag nicht besser in höhere Versicherungssummen stecken?
  • Ein wichtiges Element der Leistungsregulierung fällt weg, auch in der Nachprüfung.
  • Falsches Signal! Welche Kunden locke ich an, wenn ich ein „doppeltes Abkassieren“ ermögliche?

Wir können beide Seiten verstehen und von daher finden wir Lösungen wie von der Bayerischen eigentlich ganz gut, dass man sich dieses besondere Instrument und durchaus wichtige Zusatzleistung sich extra bezahlen lässt. 


7. Fazit zur konkreten Verweisung in der Berufsunfähigkeitsversicherung

Eigentlich ein sehr interessantes Thema, welches aber insbesondere für Akademiker wiederum nicht so relevant sein dürfte, wie eigentlich angenommen. Wir möchten nochmals zusammenfassen, dass Du immer eine andere Tätigkeit / Beruf ausübst kannst, wenn:

  • die Lebensstellung, soziale Wertschätzung sowie die soziale Anerkennung vergleichbar ist
  • Du maximal ca. 80 % Deines Bruttojahreseinkommen verdienst

Insbesondere Akademiker dürften somit im Leistungsfall neben ihrem damals abgesicherten Beruf (wo sie aktuell die BU-Rente bekommen) normale und einfache Tätigkeiten / Nebenberufe eigentlich immer nebenbei ausführen. 

Tipp

Welche Versicherer verzichten (teilweise) auf die Konkrete Verweisung?

  • Die Bayerische (mit dem Tarifbaustein Prestige)
  • HDI
  • Baloise
  • Nürnberger
  • DANV über die Ergo
  • Deutsche Ärzteversicherung

Um unserem Fazit noch eine persönliche Note zu verleihen: Sollte die konkrete Verweisung zur Anwendung kommen beim Versicherer, dann fragen wir uns auch, ob der Sinn einer Berufsunfähigkeitsversicherung noch erfüllt ist. Diese hat Dich in schweren Tagen finanziell begleitet und entlastet und nun verdienst Du in einer anderen Tätigkeit (welche Du freiwillig aufgenommen hast !) quasi dasselbe Gehalt. Sollte es jetzt noch einen Grund geben, weshalb Du weiterhin die Rente bekommst? Aber das ist nur unsere persönliche und eigene Meinung. 

Wem der komplette Verzicht auf die konkrete Verweisung derzeit extrem wichtig ist, muss (!) eigentlich bei der HDI Versicherung landen. Für Ärzte und manche Kammerberufe haben zudem noch einige weitere Versicherer wie die Nürnberger sowie die Baloise einen berufsspezifischen Verzicht auf die konkrete Verweisung vereinbart. 


Pressenachklang

13.12.2024 / Mitte Dezember wurden im Fachmagazin Pro & Contra einige provokante Thesen für das kommende Jahr aufgestellt, bei denen auch die Wahrscheinlichkeit einer Umsetzung bewertet wurde. Tobias wurde dabei mit seiner Einschätzung zur konkreten Verweisung in der Berufsunfähigkeitsversicherung zitiert. Insgesamt wird der Verzicht auf die konkrete Verweisung voraussichtlich nicht flächendeckend durchgesetzt (so auch unsere Meinung), wobei Pro & Contra eine Wahrscheinlichkeit von fünf Prozent angibt. Weitere Informationen dazu findest Du unter der Überschrift „Steile These 2025: ‚Verzicht auf konkrete Verweisung wird zum Standard‘“.


04.10.2024 / Im Magazin procontra hat unser BU-Guru Tobias zusammen mit HDI Vorstand Fabian von Löbbecke die Vor- und Nachteile der konkreten Verweisung genauer unter die Lupe genommen. Der HDI ist seit dem Update ihrer Berufsunfähigkeitsversicherung Anfang des Jahres die erste Gesellschaft, die komplett auf die konkrete Verweisung in ihrer BU verzichtet. Dies hat für den einzelnen Versicherten sicherlich Vorteile, kann aber für das Kollektiv langfristig gefährlich werden. Dies wird sicherlich die Zukunft zeigen, wenn die Zahl der Leistungsfälle zunimmt.