1. Erwerbsunfähigkeit und Erwerbsminderung?

Neben dem Begriff der Berufsunfähigkeit und der Erwerbsunfähigkeit hört man auch noch öfters den Begriff der Erwerbsminderung. Hier können wir aber schon mal Entwarnung geben. Die Erwerbsminderung ist nur ein anderes Wort für Erwerbsunfähigkeit, hier gibt es also keinerlei Unterschiede.

Erwerbsunfähigkeitsversicherung und Berufsunfähigkeitsversicherung hören sich erst einmal ähnlich an.  Beide zielen auch darauf ab, Dein Einkommen für den Fall abzusichern, dass Du nicht mehr Deiner Tätigkeit nachgehen kannst. Allerdings unterscheidet sich die beiden Versicherungen im Detail gravierend. Wo genau, das erläutern wir im nachfolgenden Artikel ausführlich!

Merke: Erwerbsunfähigkeit = Erwerbsminderung

Erwerbsunfähigkeit bzw. Erwerbsminderung Berufsunfähigkeit


2. Wann bin ich erwerbsunfähig?

Eine Erwerbsunfähigkeitsversicherung (EUV) zahlt eine monatliche Rente, wenn der Versicherte aufgrund einer Krankheit oder Verletzung dauerhaft nicht in der Lage ist, irgendeine Art von Arbeit auszuüben. Dies bedeutet, dass die Person auch dann eine Rente erhält, wenn sie keine spezifische berufliche Qualifikation hat oder eine Tätigkeit ausüben kann, die nicht mit ihrem Berufsfeld zusammenhängt.

Hier gibt es nochmal eine Unterscheidung in die volle und teilweise Erwerbsunfähigkeit. Sehen wir uns nacheinander einmal die jeweiligen Definitionen an.

  • Bei einer vollen Erwerbsunfähigkeit kannst Du auf dem Arbeitsmarkt weniger als drei Stunden pro Tag einer Tätigkeit nachgehen.
  • Teilweise erwerbsgemindert bist Du, wenn Du weniger als sechs Stunden, aber mehr als drei Stunden am Tag arbeiten kann.

Sowohl bei der kompletten als auch bei der partiellen Erwerbsminderung ist es unabhängig, welche Tätigkeit Du bisher ausgeübt hast. Hier wird geprüft, ob Du für irgendeinen Beruf auf dem Arbeitsmarkt noch zu gebrauchen bist.


3. Wann gelte ich als berufsunfähig?

Eine Berufsunfähigkeitsversicherung (BUV) hingegen zahlt eine monatliche Rente, wenn der Versicherte aufgrund einer Krankheit oder Verletzung dauerhaft nicht in der Lage ist, seinen Beruf auszuüben. Dies bedeutet, dass die Person nur dann eine Rente erhält, wenn sie ihren Beruf beispielsweise aufgrund der Krankheit oder Verletzung nicht mehr ausüben kann.

Du giltst konkret als berufsunfähig, wenn Du Deinen zuletzt ausgeübten Beruf, über einen Zeitraum von mindestens sechs Monaten, zu weniger als 50 % ausüben kannst.

Diese Definition schließt also den Fall der Erwerbsunfähigkeit ein. Zusammengefasst bedeutet das, eine BU greift viel schneller als eine EU. Kannst Du Deinem aktuellen Job nicht mehr nachgehen, zahlt die Berufsunfähigkeitsversicherung. Aber erst, wenn Du auf dem Arbeitsmarkt für gar keine Arbeit mehr zu gebrauchen bist, erhältst Du Leistungen aus der Erwerbsunfähigkeitsversicherung.

⇒ Merke: Bist Du erwerbsunfähig, so bist Du meistens (!) auch berufsunfähig (die BU-Versicherung prüft ja selber im eigenen Hause und kommt i.d.R. dann immer zum selben Ergebnis).

Bist Du berufsunfähig, bist Du aber nicht immer erwerbsunfähig.

Kleiner Trend - die Berufsunfähigkeitsversicherung schließt sich dem Votum der gesetzlichen Rentenversicherung an

Es macht sich ein kleiner Trend bemerkbar, der wie folgt lautet:

  • Besteht deine private Berufsunfähigkeitsversicherung seit über zehn Jahren 
  • Du bist über 50 Jahre alt 
  • Die versicherte Person erhält die volle Erwerbsminderungsrente aus gesundheitlichen Gründen

Dann prüft der Versicherer in der Berufsunfähigkeit gar nicht mehr, ob Du berufsunfähig bist, sondern schließt sich einfach dem Votum an. Voraussetzungen müssen aber gegeben sein, insbesondere die Vertragslaufzeit von über zehn Jahren. Davor wird nämlich nach aktuellen Stand nach Falschangaben (einer vorvertraglichen Anzeigepflichtverletzung) geprüft. 

Bei der großen Allianz Berufsunfähigkeitsversicherung ist dies dann so in den Vertragsbedingungen gekennzeichnet:

Im Detail gibt es immer einige Unterschiede, bei der LV 1871 Berufsunfähigkeit muss mindestens das 55. Lebensjahr überschritten sein:

Die beste Regelung, da ohne Altersbeschränkung, besitzt die kleine, aber feine Condor Berufsunfähigkeitversicherung:


4. Unterschiede der gesetzlichen Erwerbsminderungsrente und einer privaten Erwerbsunfähigkeitsversicherung?

Eine gesetzliche Erwerbsminderungsrente und eine private Erwerbsunfähigkeitsversicherung sind zwei unterschiedliche Arten von Leistungen, die im Falle einer Erwerbsunfähigkeit gewährt werden.

Eine gesetzliche Erwerbsminderungsrente ist eine Leistung, die von der Deutschen Rentenversicherung an Personen gezahlt wird, die aufgrund einer Krankheit oder Behinderung nur noch sehr eingeschränkt oder gar nicht mehr in der Lage sind, ihren Beruf auszuüben. Um eine Erwerbsminderungsrente zu erhalten, muss man einen Antrag stellen und nachweisen, dass man nicht mehr in der Lage ist, mindestens sechs Stunden täglich einem Beruf nachzugehen. Die Höhe der Rente hängt von den individuellen Umständen ab und wird von der Deutschen Rentenversicherung festgesetzt.

Eine private Erwerbsunfähigkeitsversicherung hingegen ist eine Versicherung, die man abschließen kann, um sich gegen das Risiko der Erwerbsunfähigkeit abzusichern. Im Falle einer Erwerbsunfähigkeit zahlt die Versicherung eine monatliche Rente an den Versicherten. Diese Rente ist in der Regel höher als die gesetzliche Erwerbsminderungsrente, da sie sich an den individuellen Bedürfnissen des Versicherten orientiert. Allerdings ist die private Erwerbsunfähigkeitsversicherung in der Regel auch teurer als die gesetzliche Erwerbsminderungsrente.


5. Wann bekomme ich Leistungen aus den Versicherungen?

Bist Du teilweise oder vollständig erwerbsunfähig, so hast Du Anspruch auf Leistungen der gesetzlichen Erwerbsminderungsrente. Die Höhe dieser hängt von verschiedenen Kriterien ab. Unter anderem, wie lange und wie viel Du bisher in die gesetzliche Rentenversicherung eingezahlt hast und wie viele Jahre Du noch von der regulären Altersrente entfernt bist. Zusätzlich musst Du bereits mindestens fünf Jahre in die Deutsche Rentenversicherung eingezahlt haben, um einen Antrag stellen zu können.

Man kann jedoch sagen, dass die gesetzliche Absicherung in den (aller) allermeisten Fällen sehr niedrig ausfällt. Im Durchschnitt lag die Auszahlung bei neu beantragten, vollen Erwerbsminderungen im Jahre 2021 bei 917 €. Da sichert man gerade einmal seine Existenz ab, aber nicht seinen Status. Und bei den aktuellen Verbraucherpreisen reicht das nicht mal, in vielen Fällen. 

Eine gesetzliche Berufsunfähigkeitsversicherung gibt es in der heutigen Zeit nicht mehr. Hier müsste man im Worst-Case sein Erspartes aufbrauchen oder würde auf das Arbeitslosengeld zurückfallen.


6. Gibt es zwischen Arbeitsunfähigkeit und Berufsunfähigkeit auch Unterschiede?

Ja, auch diese zwei Begrifflichkeiten unterscheiden sich wieder. Wer seine Tätigkeit zeitweise überhaupt nicht mehr ausüben kann, ist arbeitsunfähig. Wenn man seinen zuletzt ausgeübten Beruf ganz oder teilweise und voraussichtlich auf Dauer nicht mehr ausüben kann, gilt man als berufsunfähig. 

Um sich auch für den Fall der Arbeitsunfähigkeit abzusichern, gibt es die sogenannte Arbeitsunfähigkeitsklausel, die man optional in einem Berufsunfähigkeitsvertrag mit einschließen kann, oder alternativ auch das sogenannte Krankentagegeld.

Diese Thematik und sämtliche Zusammenhänge werden im Artikel zur Arbeitsunfähigkeitsklausel aufgegriffen und erläutert.


7. Warum gibt es so wenige Angebote für eine Private Erwebsunfähigkeitsversicherung?

Währenddessen du vonseiten der Versicherer mit guten und wenigen guten Angeboten zur Berufsunfähigkeitsversicherung konfrontiert wirst, sieht die Lage bei der Erwerbsunfähigkeitsversicherung anders aus.
Manche Gesellschaften haben sich komplett aus der Thematik gezogen und bieten gar keine Erwerbsunfähigkeitsversicherung an. Der Grund ist so banal wie einfach - die Nachfrage aus dem Markt ist praktisch nicht mehr vorhanden. Wie sagte uns mal ein wirklich großer Versicherer "Wir haben im Jahr 2021 genau 12 Erwerbsunfähigkeitsversicherungen vermittelt". Das man dies nicht wirtschaftlich darstellen kann, versteht sich wahrscheinlich von selbst. Es gibt quasi keine Kundennachfrage und vonseiten der Versicherungsvermittler ist die Erwerbsunfähigkeitsversicherung so etwas wie das hässliche Entlein, welches gar nicht mehr zur Sprache kommt. Man fürchtet sich vor Falschberatung, Kunden konfrontieren einem zudem immer mit dem Wunsch "Ich möchte auf keinen Fall in einen anderen Beruf verwiesen werden!". 
Aber auch Medien tun Ihr übrigens, welche die Berufsunfähigkeitsversicherung als den heiligen Gral darstellen. 


8. Gibt es in der Erwerbsunfähigkeitsversicherung eine bessere Annahme als in der Berufsunfähigkeitsversicherung?

Die Frage ist sehr interessant und durchaus berechtigt. Bekommt ein Interessent aufgrund Vorerkrankungen, gefährlichen Hobbys oder weiteren Risikofaktoren keine Berufsunfähigkeitsversicherung mehr, liegt es nahe, dass man gerne eine alternative Arbeitskraftabsicherung hätte. Was liegt näher, als die Erwerbsunfähigkeitsversicherung? Idee klingt gut, aber an der Umsetzung scheitert es.

Nach unserem Empfinden ist die Annahmequote in der Erwerbsunfähigkeitsversicherung fast genauso hart wie in der Berufsunfähigkeitsversicherung. Klar, manches kleine Risiko wie vielleicht ne Pollenallergie wird beim Schreiner dann normal angenommen, aber Personen, welche eine Alternative zur Berufsunfähigkeitsversicherung möchten, haben in der Regel einen größeren Katalog an gesundheitlichen Problemen. Zumeist betrifft es das Thema Psyche, komplizierte Erkrankungen der inneren Organe oder schlichtweg vieles um den Bewegungsapparat (z.B. Wirbelsäulenbeschwerden).  Sind diese Krankheitsbilder in der Berufsunfähigkeit schon eine Ablehnung bzw. eine Ausschlussklausel, so wird das in der Erwerbsunfähigkeitsversicherung nicht viel anders aussehen nach unseren Erfahrungen in der anonymen Risikovoranfrage

Von daher können wir zum einen schon sagen, das die Annahmequote in der Erwerbsunfähigkeitsversicherung einen Tick besser ist, aus der Praxis wird es aber niemanden helfen, da vor allem die Personen mit erheblichen Erkrankungen eine alternative Absicherung möchten. Das wird wiederum nicht gehen, auch wenn es einige Portale und unwissende Versicherungsvermittler am Markt so rausposaunen. Zudem kommt die oben beschriebene Thematik dazu, dass sehr viele Versicherer (mit teilweise einer sehr guten Risikoprüfung) sich aus dem Markt der Erwerbsunfähigkeitsversicherung herausgezogen haben. Selbst im Bereich der BUV gibt es jetzt schon nur eine Handvoll an wirklich guten Underwritern (=Risikoprüfern) am Markt.

 


Fazit zu Berufsunfähigkeits­­versicherung oder Erwerbsunfähigkeits­­versicherung

Die Berufsunfähigkeitsversicherung (BUV) bietet einige klare Vorteile gegenüber der Erwerbsunfähigkeitsversicherung (EUV). Einer der größten Vorteile ist, dass die BUV speziell auf den Verlust des Berufs abzielt und somit eine spezifischere Absicherung bietet. Aus unserer Sicht greift die gesetzliche Erwerbsminderungsrente sehr spät und diese ist in der Absicherung auch sehr unzureichend. 

Aus diesen erwähnten Gesichtspunkten ist eine eigenständige Berufsunfähigkeitsversicherung eine wichtige Ergänzung zum gesetzlichen Schutz der EUV. Hier ist es auch sehr wichtig, nicht einfach planlos eine Versicherung abzuschließen. In Einzelfällen, wenn keine BU-Absicherung möglich ist, kann eine private Erwerbsunfähigkeitsversicherung passend sein. Es kann aber, abhängig von der individuellen Lebenssituation, auch eine Grundfähigkeitsversicherung oder eine Unfallversicherung in Betracht gezogen werden. 

Eine kompetente und detaillierte Beratung durch einen Fachmann kann dabei helfen, hier die richtige Entscheidung zu treffen. Warum die Leistungen eines Versicherungsmaklers hier mehr Mehrwert liefert, als direkt bei der Versicherung anzufragen, erklären wir Dir hier: „Beratung zur BU über einen Versicherungsmakler oder direkt beim Versicherer?

Wir als Finanzberatung Bierl stehen Dir natürlich auch als fähiger Partner im kompletten Beratungs- und Antragsprozess zur passenden Berufsunfähigkeitsversicherung zur Verfügung. ?