Kundenfrage: Mit zwei BU-Verträgen die finanzielle Angemessenheit umgehen?
| Berufsunfähigkeit
Wir führen eine neue Rubrik ein. Echte Kundenanfragen werden wir im Blog mal etwas näher betrachten und beantworten. Dies hat einerseits den Vorteil für uns, unsere Expertise noch ein bisschen stärker zu steigern und in Google gefunden zu werden, andererseits beantworten für unsere Interessenten, aber auch für die Welt allgemein wichtige und weniger wichtige (liegt natürlich immer im Auge des Betrachters) Fragen in der großen Weiten Welt der Berufsunfähigkeitsversicherung.
Den Anfang macht ein selbstständiger Informatiker, welcher bei uns in der Beratung in der Berufsunfähigkeitsversicherung ist. Die Aufbereitung der Gesundheitshistorie hatten wir hinter uns, bei insgesamt fünf Versicherern haben wir eine anonyme Risikovoranfrage gestellt. Dieser Vorgang war recht umfangreich, da es durchaus einige Stolpersteine in der Gesundheitshistorie gab. Letztendlich schafften wir aber ein zufriedenstellendes Ergebnis, sodass es anschließend an die Präsentation der Ergebnisse und die technische Ausgestaltung ging. Danach ist das weitere Vorgehen sehr unterschiedlich. Manche Personen geben uns direkt Ihre gewünschte Rentenhöhe und Konfiguration (wie Beitragsdynamik, Leistungsdynamik, Arbeitsunfähigkeitsklausel und die Tariflinie) an die Hand, bei anderen gibt es noch umfangreiche Fragen zu klären. Passiert dann bei uns per Mail, Telefon oder natürlich auch in einem Onlinemeeting. So weit, so gut - aus diesem Fragepensum ziehen wir jetzt für unseren BU-Blog immer wieder einige Praxisbeispiele, so wie auch in diesem Beitrag.
Vorab aber noch ein kleiner Einblick in die Fragestellungen von unserem Informatiker mit dem Wunsch einer Berufsunfähigkeitsversicherung:
1. Kann ich mit zwei BU-Verträgen eigentlich die finanzielle Angemessenheit von ca. 60 Prozent umgehen?
Vorab sei noch kurz gesagt, warum wir sehr häufig eine Aufteilung auf zwei Versicherer empfehlen:
- Bei sehr hohen BU-Renten (i.d.R. über 2.500 Euro - 3.000 Euro) kann man somit die ärztliche Untersuchung und teilweise negative Auswirkungen auf den BU-Antrag umgehen.
- Insbesondere junge Kunden profitieren langfristig von der doppelten Power an möglichen Nachversicherungsmöglichen. Gibt es den Deckel bei 3.000 Euro bei einer Gesellschaft, so hat man zweimal 3.000 Euro an Erhöhungsmöglichkeiten.
Muss ich meinem Versicherer mitteilen, dass ich einen zweiten BU-Vertrag abschließe bzw. besitze?
In diesem Kontext muss auch kurz die Frage geklärt werden, ob man überhaupt einen zweiten Vertrag dem Versicherer angezeigt werden muss? Hierzu schauen wir uns einfach mal den Originalantrag der LV 1871 BU-Versicherung an.
Die LV 1871 steht hier symptomatisch für quasi alle Versicherer, welche auf dem normalen Wege eine BU-Versicherung anbieten. Es muss immer eine Vorversicherung bzw. zeitgleich beantragte Versicherung angegeben werden. Ausnahme sind in wenigen Fällen diverse BU-Sonderaktionen mit verkürzten Gesundheitsfragen. Hier verzichten einige Versicherer auf diese Frage, aber man muss eine Erklärung abgeben, dass man z.B. nicht mehr als 60 Prozent des Bruttogehaltes absichert. Das ist z.B. bei den Aktionen der HDI Berufsunfähigkeitsversicherung so.
Man muss also eine Vorversicherung nicht direkt angeben, aber im Leistungsfall würde die Angemessenheit geprüft werden. Einzig bei derImmobilienfinanzierungsaktion der Allianz ist es nach unserer Kenntnis nicht so, hier dürften die 1.500 Euro (maximal möglich in der Aktion) ohne Probleme abgesichert werden.
Wie geht man mit der ärztlichen Untersuchung um, wenn ich 4.000 Euro absichern möchte?
Wie wir schon kurz angerissen haben, würde bei einer Versicherungssumme von 4.000 Euro eine ärztliche Untersuchung vonstattengehen, es genügen also nicht mehr die Gesundheitsfragen im Antrag.
Warum wir eine ärztliche Untersuchung für eher gefährlich halten
- Bei der ärztlichen Untersuchung / Zeugnis können gesundheitliche Ergebnisse herauskommen, welche negativ sein könnten (wie z.b. Bluthochdruck)
- Die Abfragezeiträume erweitern sich. Wurde vorher fünf Jahre gefragt, sind zehn Jahre nun Standard.
- Zudem redet der Rückversicherer beim Votum ein Wörtchen mit - dieser ist humorloser und votet härter.
- Vorteil wäre aber = Der Vertrag ist ein bisschen rechtssicherer, da faktisch alle gesundheitlichen Unterlagen dem Versicherer vorlagen.
Teilt man die BU-Rente auf zwei Versicherer mit jeweils 2.000 Euro auf, umgeht man diese ärztliche Untersuchung. Es kommen die Annahmerichtlinien der jeweiligen Gesellschaft zur Geltung. Es genügt die Beantwortung der Antragsfragen der jeweiligen Versicherung.
Aber wäre es dann nicht logisch, dass nicht auch das finanzielle Risiko separat gesehen wird?
Auf den ersten Blick schon, auf den zweiten aber nicht mehr. Denn bei der Berufsunfähigkeitsversicherung gibt es den Passus, dass es (zu Beginn) keine Überversicherung geben darf. Der Hintergedanke ist hier so banal wie einfach. Es soll einfach nicht attraktiver sein, berufsunfähig zu werden, als seiner geregelten Arbeit nachzugehen. Unser sehr junger Informatiker verdient im Moment mit seiner Selbstständigkeit 43.000 Euro im Jahr. Hier nehmen wir jetzt eine finanzielle Angemessenheitvon 60 Prozent an. Wir nehmen also die 43k mit dem Faktor 0,6 und kommen auf 25.800 Euro und teilen diese durch zwölf Monate. Somit sind 2.150 Euro angemessen. Es gibt weniger Versicherer wie die Canada Life, Volkswohl Bund, Gothaer, Allianz oder dieAlte Leipziger, welche teilweise 65 oder gar 70 % des Bruttoeinkommens absichern, aber die Regel ist eher 60 Prozent am Markt (bei den obigen Anbietern wird es i.d.R. ab einer gewissen Höhe dann auch weniger). Möchte man die BU-Versicherung aufteilen, wären also 1.125 Euro pro Versicherer angemessen. Hier hätte man anschließend auch genügend Möglichkeiten, bei möglichen Einkommenssprüngen die BU-Rente wieder merklich zu erhöhen.
- Dürfte man jetzt schon 3.000 Euro absichern, wäre aus Sicht der Versicherung der Anreiz zu groß, berufsunfähig zu werden.
Eine Angemessenheitsberechnung findet i.d.R. nur zu Vertragsbeginn statt
Die maximale Absicherungshöhe zu Beginn ist auch aus dem Grund so wichtig, dass der Versicherer später die BU-Rente quasi nie mehr kürzen kann, auch wenn sich die versicherte Person derzeit in Teilzeit, Elternzeit oder nach einem Jobwechsel in einem Beruf mit weniger Gehalt befindet. Wichtig ist auch zu wissen, dass man einen Berufswechsel und somit eine Änderung des Gehalts dem Versicherer nicht nachmelden muss.
Hat man später eine BU-Rente von 3.000 Euro versichert und verdient im Moment nur 1.700 Euro, würden im BU-Leistungsfall die 3.000 Euro zur Auszahlung kommen. Aus diesem Grund haben die Versicherer auch eine panische Angst….
Die große Angst vor der Beitragsdynamik, die zu stark und schnell ansteigt
Die Beitragsdynamik ist eine ganz coole Sache. Die BU-Rente erhöht sich jedes Jahr um bis zu fünf Prozent, ohne dass man dafür etwas machen muss. Kein proaktives Verhalten ist notwendig, natürlich müssen auch keine Gesundheitsfragen beantwortet werden. Die abgesicherte BU-Höhe steigt einfach, obwohl der Versicherer nicht wissen kann, ob das Gehalt auch im selben Verhältnis steigt. Deshalb haben manche Versicherer diverse Dämpfer eingebaut.
- Eine der im Alltag bekanntesten Dämpfer beinhaltet die Beitragsdynamik der LV 1871. Sichert man mehr als 50 Prozent des Bruttogehaltes ab, sind nur drei Prozent möglich, ebenso ab einer gesamten BU-Rente (über alle Versicherer gesehen) von 40.000 Euro im Jahr
- Zudem gibt es die Form eines Deckels, welche die Alte Leipziger und der Volkswohl Bund seit langen eingebaut haben, nun aber auch die Hannoversche und Bayerische nachbauten. Die BU-Rente steigt bis zu einem gewissen Wert. Werden z.b. die 4.000 Euro monatliche Rente erreicht, gibt es keine weitere Steigerung, außer es werden aktuelle Nachweise geliefert. Aus Sicht des Versicherers nachvollziehbar.
- Ganz viele, meistens auch sehr schwache Versicherer lassen generell nur zwei oder drei Prozent zu (in sämtlichen! Berufsgruppen). Ganz schwach sind hierbei die Debeka und HUK-Coburg mit maximal zwei Prozent, drei bieten z.B. die CosmosDirekt, Hanse Merkur oder DEVK an.
Auch hier zeigen Statistiken, dass die Leistungsfälle steigen, wenn die Beitragsdynamik dafür sorgt, dass die BU-Rente massiv weitersteigt, das Gehalt aber stagniert.
Der Versicherer hat also quasi nur einmal ein richtiges Mittel zur Prüfung der finanziellen Angemessenheit und dies ist ganz zu Beginn.
2. Wie soll ich vorgehen, wenn ich das Maximale absichern möchte?
Wenn wir die Abzüge im Leistungsfall realistisch betrachten, sind 60 Prozent vom Bruttogehalt bis zu einer gewissen Höhe zu wenig. Damit meinen wir weniger die steuerlichen Abzüge, sondern die Tatsache, dass
- Man die kompletten Beiträge in der GKV / PKV entrichten muss.
- Es zudem auch keine Einzahlungen mehr in die gesetzliche Rentenversicherung gibt.
Von daher gibt es für uns zwei Möglichkeiten, wie man optimal agiert:
- Such dir einen Anbieter mit einer möglichst maximal guten Absicherungshöhe von 65,70 oder gar 75 Prozent. Bei einer Zwei-Vertragslösung schließe erstmals den Vertrag mit der schwächeren vorgegebenen Angemessenheit ab und nach erfolgreicher Policierung kann dann der zweite Antrag gemacht werden.
- Beschäftige Dich bitte zudem mit der Thematik des BU-Airbags oder auch mit dem Vorsorgeschutz der LV 1871. Beides sind sehr interessante Möglichkeiten, um mögliche Lücken gar nicht zu entstehen lassen. Bei beiden Möglichkeiten gibt es keine Anrechnung auf vorhandene oder künftige Berufsunfähigkeitsversicherungen.
- Ok, eine Thematik haben wir fast vergessen - die garantierte Rentensteigerung im Leistungsfall (Leistungsdynamik) kann natürlich so hoch wie möglich angesetzt werden, somit hat man über all die Jahre auch erhebliche Steigerungen zu verzeichnen. Alternativ gibt es auch Bausteine wie Cash+ der Baloise mit einer Einmalzahlung im Leistungsfall.
Beachte also immer bitte, dass wir die Berufsunfähigkeitsversicherung als eine Statusabsicherung sehen. Dir soll es in kranken Tagen (finanziell) genauso gut gehen, wie wenn Du voll arbeiten würdest.
3. Fazit zu unserer Kundenanfrage, ob man mit der Aufteilung der BU-Verträge die Angemessenheit umgeht?
Jetzt merken wir gerade, dass bei der Antwort auf diese Frage unser Blogartikel doch wieder ziemlich ausgeartet ist, mit über 1.500 Wörtern. Die Antwort ist aber eigentlich sehr klar und kann mit Nein beantwortet werden. Bei der Aufteilung auf zwei Versicherer kann man zwar die ärztliche Untersuchung mit all seinen Konsequenzen umgehen, aber die Frage nach der finanziellen Angemessenheit bleibt bestehen. Die Angst einer möglichen Überversicherung ist (berechtigterweise) zu groß.
PS: Falls Dir interessante Fragen einfallen, welche wir mal in unserem Blog beantworten sollen, dann lass es uns wissen.