1. Was passiert, wenn ich zu viel abgesichert habe in der Berufsunfähigkeitsversicherung?

Erstmals nichts. In all den nächsten Ausführungen und in Deinen Gedankengängen musst Du immer daran denken, dass die Berufsunfähigkeitsversicherung eine “Summenversicherung” und keine "Schadenversicherung" darstellt.
Eine Summenversicherung zahlt nämlich das aus, was abgesicht wurde, unabhängig von der eigentlichen “Schadenhöhe”. Hast Du 2.500 Euro in der Berufsunfähigkeitsversicherung abgesichert, dann wird Dir das auch ausbezahlt. Unabhängig davon, ob Du Dich z.B. gerade in einer Teilzeittätigkeit befindest oder Du aufgrund der Beitragsdynamiken jetzt mehr verdienst als eigentlich zu Beginn erlaubt.

Bei einer Schadenversicherung würde Dir der Schaden ersetzt werden. Das kennst Du z.B. aus der privaten Haftpflicht, Wohngebäude oder auch KFZ-Versicherung. Bekommt Deine Seitentür einen kleinen Kratzer und Du meldest dies der Versicherung, dann bekommst Du nicht gleich ein neues Auto, sondern der Schaden des Kratzers wird erstattet. 

Somit kann es erst einmal keine Überversicherung in der Berufsunfähigkeitsversicherung geben. Es wird das ausbezahlt, was Du abgesichert hast


2. Die Prüfung einer Überversicherung findet zu Vertragsbeginn statt

Die Prüfung einer Übersicherung findet zur Antragstellung in der Berufsunfähigkeitsversicherung statt. So legen es die diversen Annahmerichtlinien der jeweiligen Gesellschaft dar. Schauen wir uns mal zwei in der Praxis an. 

Finanzielle Angemessenheit der Baloise

Bei der Baloise Berufsunfähigkeitsversicherung kannst Du maximal 60 Prozent Deines Bruttogehaltes bzw. 75 Prozent Deines Nettogehaltes absichern (der erste Wert dürfte i.d.R. immer höher liegen). Verdienst Du 4.000 Euro Brutto im Monat, kannst Du somit 2.400 Euro bei der Baloise absichern. Bei einem Absicherungswunsch von über 2.400 Euro würde eine Überversicherung entstehen, welche die Baloise nicht zulässt in der Berufsunfähigkeitsversicherung.

Die finanzielle Angemessenheit der Allianz Berufsunfähigkeitsversicherung

Bei der Allianz Berufsunfähigkeitsversicherung können sogar 70 Prozent des Bruttogehaltes abgesichert werden. Hier gilt es aber folgendes zu beachten:

  • Diese gelten nur im Durchschnitt der letzten drei Jahre
  • Ab einem Arbeitseinkommen von 60.000 Euro verringert sich die Gesamtabsicherung. Hier rückt man dann auch keine pauschalen Zahlen heraus, sondern es wäre eine individuelle Anfrage. 

Auf die Allianz kommen wir aber nochmals zu sprechen, da diese einen Fallstrick im Leistungsfall eingebaut hat. 

Im Artikel “Rentenhöhe Versicherungssumme Berufsunfähigkeitsversicherung?” schauen wir uns bei den wichtigsten Anbietern die maximale Versicherungssumme an. Grob gesagt kannst Du mit 60 Prozent des Bruttogehaltes rechnen. Das ist ein Wert, der sich mittlerweile etabliert hat. Mal etwas weniger, mal etwas mehr. Je höher Dein Bruttoeinkommen aber ist, desto eher fallen diese 60 Prozent. 

Wie wird das Einkommen bei Antragstellung zur Berufsunfähigkeitsversicherung geprüft?

Bis zu einer gewissen Höhe gibt es eine sogenannte Pauschale. So dürften normale Arbeitnehmer, aber auch Selbstständige pauschal oftmals 1.500 Euro absichern, bei einigen Versicherern sogar 2.000 Euro. Hier muss kein Nachweis erfolgen und es könnte somit auch eine Überversicherung entstehen (wenn z.B. derzeit eine Teilzeittätigkeit ausgeübt wird nach erfolgter Elternzeit).
Bei Absicherungshöhen darüber hinaus sollten die letzten zwei bis drei Gehaltsabrechnungen beigelegt werden. Bei hohen Absicherungssummen von über 2.500 Euro pro Monat, wird auch gerne der Einkommensteuerbescheid des letzten oder auch der vergangenen drei Jahren angefordert.
Das solltest Du auch nicht als Gängelung sehen, sondern eher als Vorteil für Dich. So gibt es dann im Leistungsfall keine Probleme, denn Du konntest ja nachweisen, dass es bei Antragsstellung keine Überversicherung gab in der Berufsunfähigkeitsversicherung. Lieber legst Du einen finanziellen Nachweis zu viel bei, als zu wenig.
Faustregel gilt aber = Je höher Deine Rente in der Berufsunfähigkeitsversicherung sein soll, desto tiefergehender sollten Deine Nachweise sein.


3. Besonderheiten der Überversicherung bei Schülern, Studenten und Auszubildende

Immer wieder kommt die Frage auf, wie viel eigentlich Schüler, Studenten oder Auszubildende eigentlich absichern dürfen? Die ersten beiden haben ja i.d.R. kein Einkommen. Hier kommen aber wiederum die Pauschalen ins Spiel. Diese sind i.d.R.:

  • Bei Schülern können i.d.R. bis zu 1.500 Euro abgesichert werden, einige Gesellschaften bieten aber auch nur 1.000 Euro an
  • Bei Studenten lag der Deckel ebenso jahrelang bei 1.500 Euro, jetzt sind wir schon bei den guten und namhaften Versicherer bei 2.000 Euro angekommen
  • Auszubildende schwanken oft zwischen 1.000, 1.250 und 1.500 Euro an maximaler Absicherung in der Berufsunfähigkeitsversicherung

Bei all diesen Konstellationen würde theoretisch somit eine Überversicherung vorliegen in der Berufsunfähigkeit, in der Praxis spielt dies aber keine Rolle aufgrund der oben genannten Pauschalen.
Das gilt übrigens auch für Personen in der Elternzeit. Diese haben ja praktisch auch kein Arbeitseinkommen. Es können bei den guten Anbietern aber 1.500 Euro abgesichert werden. In Einzelfällen kann auch eine individuelle Anfrage erfolgen (wenn z.B. eine Ärztin nach der Elternzeit wieder 30h in den Beruf zurückkehrt, können auch schon 2.000 oder 2.500 Euro abgesichert werden - Voraussetzung ist aber immer eine individuelle Absprache mit dem Underwriting der Gesellschaft). 

Du musst Dir aber wegen der Überversicherung als Schüler, Student oder Azubi somit keine Gedanken machen.


4. Kleine Besonderheiten im Leistungsfall bei der Alten Leipziger und Allianz

Wie schon oben erwähnt, würde der Jurist sagen “Es kommt drauf an”. Die Thematik mit der Summenversicherung (= es wird das ausbezahlt, was abgesichert wurde), gilt eigentlich in fast allen Verträgen im Leistungsfall. Aber halt nur bei fast allen. Ein prominenter Versicherer handhabt das anders, wobei man 2022 nun eine marktübliche Regelung erschaffen hat. Es gibt aber natürlich immer noch genügend Altverträge.

Die Alte Leipziger Berufsunfähigkeitsversicherungprüft nämlich IM Leistungsfall die Angemessenheit bei Altverträgen, wenn die BU-Rentenhöhe im eigenen Hause eine gewisse Höhe überschritten hat. Das sieht dann bei der Alten Leipziger so aus:

Hast Du innerhalb der Alten Leipziger BU-Verträge von über 3.333 Euro an monatlicher Absicherung, so musst Du selbstständig aufpassen, dass es keine Überversicherung gibt. Im Leistungsfall würde nämlich anschließend eine Streichung erfolgen, sollte die Angemessenheit nicht gewahrt worden sein. 

Etwas anders handhabt es die Allianz. Diese hat auch einen Cut bei 40.000 Euro drin, also es erfolgt dann schlichtweg keine Beitragsdynamik und Erhöhung mehr. Es kann somit gar keine Überversicherung mehr entstehen aufgrund steigender Beitragsdynamik.

Hast Du eine BU-Rentenhöhe bei der Allianz von über 40.000 Euro im Jahr (also 3.333 Euro im Monat) erreicht, erfolgt keine weitere Beitragsdynamik. Solche ähnlichen Deckel haben nun auch der Volkswohl Bund und seit 2022 die oben genannte Alte Leipziger mit dabei, mehr Hintergründe dazu gibt es unter “Warum eine gedeckelte BU-Beitragsdynamik sinnvoll sein kann!”. 

Von den großen und mehr oder minder vernünftigen Gesellschaften am Markt, ist die Alte Leipziger in den Altverträgen der einzige Anbieter, der nach unserem Kenntnisstand die BU-Rente aufgrund einer Überversicherung kürzen könnte. Passe bitte also sehr auf, wenn Du Kunde bei der Alten Leipziger bist, der Vertrag vor 2020 abgeschlossen wurde und Du über 3.333 Euro monatliche Absicherung besitzt.


5. Warum kann man sich eigentlich nicht überversichern in der Berufsunfähigkeitsversicherung?

Versicherer haben panische Angst davor, dass die BU-Rente das Einkommen (massiv) übersteigt. Der Grund ist so banal wie einfach. Statistisch gesehen nehmen die Leistungsfälle stark zu. Der “Anreiz” berufsunfähig zu werden ist größer. Aber das möchten wir niemandem unterstellen. Was aber durchaus sein kann = Wurde der Leistungsantrag bewilligt, sinken die Anreize, wieder ins Berufsleben zurückzukehren. Die Aussicht auf eine 40h Woche bei geringerem Einkommen ist für manche dann nicht gerade rosig. Menschlich zum Teil nachvollziehbar, aber so kann ein System ja nicht funktionieren.

Verschiedene Dämpfer der Versicherer, um eine Überversicherung zu vermeiden

Es gibt immer wieder unterschiedliche Dämpfer und Deckelungen, damit so eine Überversicherung nicht stattfinden kann. Ein kleiner Auszug:

  • Die LV 1817 lässt bei einer gewünschten Versicherungssumme von über 50 % des Bruttogehaltes nur eine Beitragsdynamik im eigenen Hause von drei Prozent zu
  • Nicht wenige Versicherer beenden die Beitragsdynamik mit 55 Jahren - so wie z.B. die Allianz, Baloise oder die Bayerische. Bei der Baloise ist zudem ab einer mtl. Absicherungshöhe die Beitragsdynamik auf drei Prozent gedeckelt beim Ziehen der Nachversicherung. 
  • Den Deckel bei 2.500 Euro haben wir schon bei der Alten Leipziger und demVolkswohl Bund kennengelernt. Beim Nachweis der Angemessenheit kann weiter erhöht werden.

Sieh bitte einen Deckel oder eine gedämpfte Absicherung nicht zu kritisch, sie schützt sogar eher das Versichertenkollektiv. Du möchtest ja auch eine faire Leistungsfallabwicklung sowie ungern Beitragserhöhungen in der Berufsunfähigkeitsversicherung.

Sollte Dein Gehalt stark steigen, dann hast Du neben der Dynamik der Beiträge ja auch natürlich die Möglichkeiten der Nachversicherung sowie bei einigen Gesellschaften wie der LV 1871 eine Karrieregarantie

Trick 17 - ich bin sicherheitsorientiert und würde mich gerne überversichern in der Berufsunfähigkeitsversicherung

Grundsätzlich können wir die Idee und den Gedanken auch nachvollziehen, wenn man die Abzüge im Leistungsfallbetrachtet. Unser Tenor ist ja generell, dass Du mehr als 20 Prozent in der Berufsunfähigkeitsversicherung als gedacht absichern musst, da Krankenkassenbeiträge zu entrichten sind. Zudem zahlst Du keinen Cent mehr in die gesetzliche Rentenversicherung ein.

Eine gute Lücke zur Absicherung sind diverse Altersvorsorgeverträge (auch mit ETF´s), welche dann im Leistungsfall vom Versicherer übernommen werden. Reine Beitragsbefreiungen werden nämlich nicht angerechnet bei der finanziellen Angemessenheit und zählen daher auch nicht zu einer Übersicherung dazu. So können bei vielen Anbietern bis zu 250 Euro innerhalb einer fondsgebundenen Rentenversicherung abgesichert werden mit Beitragsbefreiung im Leistungsfall. Sprich, der Anbieter übernimmt anschließend die Vorsorgebeiträge in der Altersvorsorge. Gepaart mit unserem wissenschaftlichen Weltportfolio, kann hier durchaus eine interessante Konstellation herauskommen. 

Jetzt hoffen wir, dass wir Dir einen kleinen Überblick in die wunderbare Welt der Berufsunfähigkeitsversicherung in diesem kleinen Beitrag mit dem Bezug einer möglichen Überversicherung geben konnten. Möchtest Du eine Beratung zur passenden Berufsunfähigkeitsversicherung, dann melde Dich bitte einfach.