1. Gibt es eine Wartezeit in der Berufsunfähigkeitsversicherung?

Nein, in der Berufsunfähigkeitsversicherung gibt es keine Wartezeit. Du hast ab dem ersten Tag des Versicherungsbeginns vollen Schutz. Es gibt weder eine Wartezeit noch so etwas wie eine Staffelregelung, bekannt aus z. B. einer Zahnzusatzversicherung (die ersten Jahren verminderte Absicherung, welche dann steigt).

Schließt Du am 01.07.XX eine Berufsunfähigkeitsversicherung ab und am 02.07.XX desselben Jahres (=ein Tag später) passiert Dir ein tragischer Unfall, hast Du die volle Absicherung. Zum einen natürlich die vereinbarte Versicherungssumme, zum anderen würde im nächsten Jahr dann auch die evtl. vereinbarte garantierte Rentensteigerung / Leistungsdynamik greifen.

So unterscheidet sich die private Berufsunfähigkeitsversicherung auch von der staatlichen Erwerbsminderungsrente. Aus dieser bekommt ein normaler Verbraucher erst eine Leistung, wenn man in den letzten fünf Jahren mindestens drei Jahre in die Rentenkasse eingezahlt hat. Die private Berufsunfähigkeitsversicherung sieht hingegen keine Wartezeit vor.

Was für die Berufsunfähigkeitsversicherung gilt, ist aber nicht für alle Sparten der Lebensversicherung so geregelt. In der Dread Disease (Schwere Krankheitenversicherung) gibt es z. B. bei der Dread Disease der Canada Life eine Wartezeit von sechs Monaten bei Krebs und drei Monate für „Bypass-Operation der Herzkranzgefäße“.


2. Ausnahme Wartezeit bei manchen Sonderaktionen & Beitragsbefreiungen der Altersvorsorgeverträge & Nachversicherung

Keine Regel ohne Ausnahme. Die HDI Versicherung bot bis 2018 eine recht nette Sonderaktion an, mit teilweise stark vereinfachten Gesundheitsfragen, welche eine fünfjährige Wartezeit als Bedingung hatte. Ebenfalls hatte die Generali eine Erwerbsunfähigkeitsversicherung mit praktisch keiner Gesundheitsfrage auf dem Markt bis 1.000 Euro Absicherung, welche ebenso eine fünfjährige Wartezeit vorsah. Auf manchen Internetseiten kursieren die Meldungen, dass es noch Erwerbsunfähigkeitsversicherungen ohne Gesundheitsfragen, aber dafür mit Wartezeit gibt – dies können wir momentan nicht bestätigen. Liegt wahrscheinlich daran, dass manche Seiten auch schon länger nicht mehr aktualisiert wurden.
Die beiden Aktionen sind somit Geschichte und nach unserem Kenntnisstand gibt es derzeit auch keine Sonderaktion mit vereinfachten Gesundheitsfragen, welche eine Wartezeit vorsieht. Es kann aber natürlich immer noch exklusive Lösungen über den Arbeitgeber oder einen Bankenverbund geben, welche uns nicht bekannt sind. Würde uns aber etwas überraschen. 

Bei Altersvorsorgebeitragsbefreiungen im BU Fall gibt es teilweise eine Wartezeit

Noch nicht ganz ausgestorben ist die Wartezeit bei Beitragsbefreiungen in der Altersvorsorge, falls Du berufsunfähig wirst. Dies ist aber eher eine klare und bewusste Entscheidung, welche ganz offen und ehrlich kommuniziert wird von den infrage kommenden Versicherern. 

Kurzer Exkurs: Wenn Du berufsunfähig wirst, hast Du einige Abzüge im Leistungsfall. Der größte negative Punkt dürfte aber die Tatsache sein, dass Du keinen Cent mehr in die gesetzliche Rentenversicherung einzahlst (Angestelltenverhältnis vorausgesetzt). Du musst Deine private Altersvorsorge also massiv nach oben treiben. Hier verschaffen einige Gesellschaften Abhilfe und bieten eine fondsgebundene Rentenversicherungmit Beitragsbefreiung im BU-Fall an für bis zu 250 Euro an monatlichen Beitrag. Teilweise mit stark vereinfachten Gesundheitsfragen à la 

1. Sind Sie derzeit arbeitsunfähig?

2. Sind Sie in den letzten 2 Jahren vor Antragstellung mehr als 14 Kalendertage ununterbrochen arbeitsunfähig gewesen?

3. Besteht oder bestand bei Ihnen eine Erwerbsminderung, eine Wehrdienstbeschädigung (WdB), ein Grad der Behinderung (GdB), ein Grad der Schädigung (GdS), eine Berufsunfähigkeit – oder wurde ein entsprechender Antrag gestellt? 

Dies machen aber nicht alle Versicherer so. Manche haben keine Gesundheitsfragen, stattdessen kommt eine dreijährige Wartezeit zur Geltung.
Drei Jahre Wartezeit bei der Beitragsbefreiung zum Altersvorsorgevertrag gibt es bei:

  • LV 1871
  • Stuttgarter
  • Württembergische
  • Ergo

Bei einem Unfall dürfte bei den meisten Anbietern die Wartezeit entfallen. Achte aber bitte auf die Thematik “Eingebrachte Berufsunfähigkeit”. Für Personen mit erheblichen Vorerkrankungen dürfte diese Variante somit auch nicht möglich sein. Es ist eher für die Verbraucher gedacht, die voll arbeitsfähig sind, aber ihre Gesundheitshistorie nicht mehr unbedingt komplett aufbereiten wollen. Zudem erleben diese Varianten großes Interesse bei Gutverdienern, welche schon die maximale Absicherungshöhe ihrer Berufsunfähigkeitsversicherung erreicht haben - Stichwort maximale finanzielle Angemessenheit. Beitragsbefreiungen aufgrund einer Berufsunfähigkeit werden nämlich nicht angerechnet. So kannst Du also die Thematik umgehen, dass Du im BU-Fall keinen Cent mehr in die gesetzliche Rentenversicherung einzahlst. Aber auch für Selbstständige kann dies durchaus Sinn ergeben.
Ob Du vereinfachte Gesundheitsfragen oder lieber eine Wartezeit in Kauf nimmst, bleibt Dir offen. Tendenziell kommt es auch darauf an, zu welchem Anbieter Du in der fondsgebundenen Rentenversicherung tendierst bzw. welche Parameter Dir hierbei wichtig sind. 

Nachversicherung – Besonderheit der Wartezeit bei der LV 1871

Es kann zudem vorkommen, dass mancher Versicherer bei der Nachversicherung eine Wartezeit in seinen Bedingungen verankert hat. Dies ist auf jeden Fall nicht üblich, aber es gibt diese Fälle. U. a. bei der LV 1871 BUV, welche auf ihre ereignisunabhängige Nachversicherung (also ohne Grund) eine Wartezeit von drei Jahren hat, welche bei Unfall entfällt.

Bei der ereignisunabhängigen Nachversicherung der LV 1871 kannst Du Deinen Hauptvertrag um maximal 250 Euro mtl. BU-Rente erhöhen. Hattest Du vorher 2.000 Euro bei der LV 1871 abgesichert, erhöhst auf 2.250 Euro und wirst in den nächsten drei Jahren berufsunfähig, so bekommst Du “nur” die 2.000 Euro an Rente ausbezahlt. Die restlichen 250 Euro sind hierbei ausgenommen. Eine in der Zwischenzeit angenommene Beitragsdynamik haben wir zwecks Vereinfachung herausgelassen.
Es kann noch sein, dass weitere, eher unbedeutende Versicherer auch so einen Fallstrick eingebaut haben - die LV 1871 ist bei den qualitativ guten Anbietern aber definitiv so etwas wie eine kleine Ausnahme.


3. Ab wann darf ich wieder zum Arzt gehen nach der Beantragung der Berufsunfähigkeitsversicherung?

I. d. R. musst Du beim Antrag zur Berufsunfähigkeitsversicherung alle Arztbesuche in den letzten Jahren angeben. Ausnahmen gibt es oftmals für Vorsorgeuntersuchungen. Wir empfehlen aber ausdrücklich, kurz vor Abschluss einer BU auf Vorsorgeuntersuchungen explizit zu verzichten. Nicht, weil Du diese nicht angeben sollst (falls danach gefragt wird), sondern aus dem Grund, dass ja auch unliebsame Ergebnisse herauskommen könnten wie z. B. Anzeichen einer schweren Krankheit oder Blutwerte, die nicht in die Norm passen.
Kontrolluntersuchungen sollten also unbedingt erst gemacht werden, wenn Du den Versicherungsschein in den Händen hältst. Eine Wartezeit gibt es bekanntlich dann nicht mehr.

Bei der Absicherung von sehr hohen BU-Renten schickt Dich die Gesellschaft aber eh zum Arzt – Stichwort ärztliche Untersuchung / Zeugnis bei Antragstellung. Dies passiert oftmals ab einer gewünschten Absicherungshöhe von 2.500 Euro, die ersten Anbieter wie die HDI oder die Bayerische haben diese Grenze auf 3.000 Euro erhöht.
Möchten man dies umgehen, teilt man die gewünschte BU-Rentenhöhe einfach auf zwei Anbieter auf.

Darf ich zwischen Antrag UND Policierung zum Arzt gehen?

Vorab sei natürlich nochmals erwähnt, dass Du bei akuten Beschwerden natürlich immer zum Arzt gehen solltest. Kein Vertrag ist so wichtig wie Deine eigene Gesundheit. Du musst nach Abgabe des Versicherungsantrags neue Arztbesuche nicht mehr nachmelden.
Aber: Zieht sich Dein Antrag sehr hin aufgrund von Rückfragen, unvollständigen Gesundheitsunterlagen oder auch schlichtweg einer falschen Bankverbindung, so kann der Versicherer nochmals nach Deinem Wohlbefinden fragen. Das sieht dann z. B. so aus:


4. Versicherer werden sehr hellhörig, wenn kurz darauf ein Leistungsfall eintritt

Es gibt immer wieder einige “Schlaubischlumpf” Interessenten, die derzeit eine Beschwerde haben, jetzt noch schnell eine Berufsunfähigkeitsversicherung abschließen und dann vollen Versicherungsschutz haben möchten. Das ist keine gute Idee. Die meisten Gesellschaften fragen nämlich nach Beschwerden, welche kurz vor der Antragstellung waren. So z.B. auch die LV 1871 Berufsunfähigkeitsversicherung.

Damit möchte die Versicherungsgesellschaft das Kollektiv schützen. Leidet jemand an psychischen Problemen oder unter erheblichen Beschwerden der Wirbelsäule, so wäre eine normale Annahme in der BU zu 99,9 Prozent ausgeschlossen. Jetzt gibt es die schlauen Personen, die sich einfach sagen “Hach, die Versicherung weiß ja nichts davon, also gebe ich dort mal ein Ja an”. Da es bekanntlich keine Wartezeit gibt in der Berufsunfähigkeitsversicherung, kann der Leistungsfall auch schon nach drei Wochen eingereicht werden. Dieser muss aber von Dir nachgewiesen werden, dass Du berufsunfähig bist. Psychische Probleme oder ein Rückenleiden kommen nicht von heute auf morgen, sondern zeichnen sich über einen längeren Zeitraum ab. Würden dies die Versicherer normal versichern, müssten die Beiträge wohl dreimal so hoch sein. Sollte also ein Leistungsfall kurz nach der Policierung eintreffen, wird jede (!) Gesellschaft intensiv nach einer möglichen Vorvertraglichen Anzeigepflichtverletzung forschen. Das auch zurecht. Würde man Leistungsfälle in der Berufsunfähigkeitsversicherung einfach durchwinken, schadet man damit den ganzen ehrlich einzahlenden Personen, die redlich und mit absolut reinem Gewissen ihren Vertrag abgeschlossen haben.
Zudem gibt es seit einigen Jahren den Begriff “Eingebrachte Berufsunfähigkeit”. Versichert ist nämlich nur immer die Berufsunfähigkeit, die während der Vertragsdauer eintritt. “

Die Frage nach Beschwerden, die kurz vor Antragsstellung waren, finden wir einen guten Kompromiss bei den Gesundheitsfragen in der Berufsunfähigkeitsversicherung. Es gibt aber auch Versicherer, welche über fünf Jahre nach Beschwerden fragen, ganz wenige lassen diese Frage aber auch komplett weg. Auch das ist kein Freifahrtschein, Stichwort “Eingebrachte Berufsunfähigkeit”.


5. Karenzzeit - ist das nicht auch so etwas wie eine Wartezeit in der Berufsunfähigkeitsversicherung?

Manche Anbieter bieten in der Antragsstellung eine sogenannte Karenzzeit an in der Berufsunfähigkeitsversicherung. Diese können sprichwörtlich auch als Wartezeit verstanden werden.
Auf den ersten Blick klingt eine Karenzzeit gut, da diese Beiträge spart. Leistung aus der BU bekommst Du erst, nachdem die Karenzzeit abgelaufen ist. Diese beträgt je nach Gesellschaft zwischen 6 und 24 Monaten. Die Zahlung der BU-Rente im Leistungsfall beginnt also erst nach Ablauf dieser Frist.

Wir empfehlen niemals eine Karenzzeit in der Berufsunfähigkeitsversicherung

Um es kurz zu machen - für uns ist die Karenzzeit  wohl die sinnloseste Möglichkeit um Beiträge zu sparen. Bei heutigen modernen Policen gilt die Regel, dass der Leistungsfall eintritt, wenn ein Prognosezeitraum von sechs Monaten möglich ist. Dieser muss immer mit einem gewissen Therapie- und Behandlungsstand hinterlegt werden. Solltest Du Leistung von Deinem BU-Versicherer fordern, musst Du dies also nachweisen und es genügt nicht ein “Mir geht's schlecht”. Es muss nachgewiesen werden, dass dieser Zustand für sechs Monate anhalten wird. Ärzte & Gutachter tun sich oftmals aber schwer, über einen längeren Zeitraum eine Prognose abzugeben. Hier sind wir mit sechs Monaten derzeit aber gut bedient.
Vereinbarst Du nun eine Karenzzeit von 24 Monaten, so steigt der Prognosezeitraum von sechs auf insgesamt 30 Monate. Das ist medizinisch und praktisch kaum erfüllbar.

Neben der “Prognose” gibt es noch die “Dauer”, welche im Leistungsfall zu erfüllen ist. Bestand die Berufsunfähigkeit schon objektiv seit 6 Monaten, gilt diese von Beginn an als eingetreten, der so genannten fingierten Berufsunfähigkeit. Die Karenzzeit hebelt diesen Sicherungsmechanismus aber wieder komplett aus.

Eine eingebaute Karenzzeit müsste den Beitrag eigentlich eher um 80 Prozent senken und nicht wie derzeit um ca. 10 Prozent. Die Chance, dass Du wirklich mal ernsthafte Leistung aus der Berufsunfähigkeitsversicherung bekommt, sinkt mit dem Einbau einer Karenzzeit also erheblich. Die Idee an sich ist gut, wenn man die Karenzzeit als Wartezeit verstanden hat, die Praxis spricht aber komplett dagegen.
Zudem nimmt der Trend auch extrem zu, dass Versicherer eine Karenzzeit gar nicht mehr anbieten, da die Nachfrage gegen Null geht. Kein uns versierter Versicherungsmakler empfiehlt eine Karenzzeit zur Beitragsersparnis. Meistens bieten dies Versicherungsvermittler an, die vor allem über den Preis kommen und sonst wenig stichhaltige Argumente in der Beratung zur Berufsunfähigkeitsversicherung besitzen.