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Überprüfung Ausschlussklausel Berufsunfähigkeitsversicherung in der Praxis

| Berufsunfähigkeit

Nicht immer kann der Versicherungsschutz zu normalen Bedingungen angenommen werden. Kleinere, aber vor allem größere Zipperlein können dazu führen, dass Dein BU-Vertrag nicht angenommen werden kann. Es kann eine Ablehnung geben, einen Risikozuschlag oder auch eine Ausschlussklausel. Bei letzterer ist es oftmals sehr wichtig, dass man eine Überprüfungsmöglichkeit einbauen lässt, bei Antragstellung bzw. beim Votum der anonymen Risikovoranfrage.

Überprüfung Ausschlussklausel Berufsunfähigkeitsversicherung

Zwei Fälle sehen wir uns jetzt in der Praxis an. Beide können zu nicht normalen Bedingungen versichert werden, aber es gibt jeweils eine Prüfoption. Was wir Dir damit sagen möchten = nicht den Kopf in den Sand stecken, wenn Du nicht normal angenommen wirst. Eine Ausschlussklausel ist per se nichts Negatives. Du würdest Deine Immobilie doch auch versichern, obwohl der Versicherer sagt „Also das Haus versichern wir schon, aber die Garage nehmen wir jetzt heraus“. „Sonst genießt Du vollen Versicherungsschutz.“ „Vielleicht können wir aber in ein paar Jahren darüber nochmals reden, wenn es keine Schäden an der Garage gibt.“ So ungefähr kann man sich das vorstellen.

1. Ausschlussklausel Psyche & Wirbelsäule beim Volkswohl Bund mit Prüfoption in 3 Jahren

2019 trat eine junge Verwaltungsangestellte an uns heran, mit der Bitte um Beratung in der Berufsunfähigkeitsversicherung. Leider gab es wenige Monate davor einen tragischen Zwischenfall in der eigenen Familie, was eine mehrwöchige Krankschreibung nach sich zog. Auch gab es ein ärztliches Attest für die Risikoprüfung:

Einige Jahre zuvor gab es zudem vermehrt Besuche beim Orthopäden und bei verschiedenen Physiotherapeuten.
Das führte nach der erfolgten anonymen Risikovoranfrage zum Ergebnis, dass es jeweils eine Ausschlussklausel für die Wirbelsäule, sowie für psychische Erkrankungen beim Volkswohl Bund gab – das beste Votum nach erfolgter Ausschreibung. Beide Klauseln können aber in drei Jahren überprüft werden. Das sieht im Anschreiben der Police folgendermaßen aus:

Wir haben uns nach etwas über drei Jahren eine Wiedervorlage gesetzt. Unsere Kundin war aber etwas schneller und hat uns direkt selber kontaktiert nach diesen drei Jahren. Zur Überprüfung der Ausschlussklauseln mussten die beiden Fragebögen zur Wirbelsäule und psychischen Erkrankungen beantwortet werden.

Auszug des Fragebogens zur Psyche:

Die neuen Unterlagen wurden auf dem kurzen Wege dem Volkswohl Bund mitgeteilt und wenige Tage später gab es auch schon ein Schreiben, dass die „Ausschlussklausel für die Wirbelsäule und für psychische oder psychosomatische Erkrankungen“ aus dem Vertrag herausgenommen werden können.

So hat jetzt unsere Kundin vollumfänglichen Schutz. In diesem Fall war dies also eine Ausschlussklausel auf Zeit. Auch vielen Dank an den Volkswohl Bund für die unkomplizierte Herausnahme. Da gibt ́s Gesellschaften, welche sich mehr anstellen …

Wichtig zu wissen: Bei der Überprüfung einer Ausschlussklausel wird nicht wieder der gesamte Gesundheitszustand geprüft, sondern nur die jeweilige & damalige Erkrankung. Diese Frage kommt häufiger vor, deshalb sei diese gleich mal beantwortet.


2. Ausschlussklausel Wirbelsäule bei der Alten Leipziger mit Prüfmöglichkeit

Eine Ärztin trat an uns heran mit der Bitte um Betreuung aller vorhandenen Versicherungsverträge. Ihr Mann sei mit uns sehr zufrieden, jetzt möchte sie auch zu uns wechseln. Bestandsübertragungen auf uns sind generell kein Problem, man sollte nur unsere Fokussierung auf Vollmandate beachten. Wurde gemacht, alles gut.
Die wichtigste Thematik bei ihr war jetzt aber vor allem die Überprüfung ihres BU-Vertrages aus dem Jahr 2012, welcher bei der Alten Leipzigerabgeschlossen wurde.
In diesem Vertrag gab es eine Ausschlussklausel der Wirbelsäule sowie der Bandscheiben, welche aber Ende 2014 (!) überprüft werden könnten.

Sprich, zwei Jahre nach Vertragsabschluss. Es wurde sich seitdem darum aber nicht gekümmert. Weder von der versicherten Person, noch vom (damaligen) Berater.
Der aktuelle Gesundheitszustand der Wirbelsäule sei aber gut, es gab und gibt weder Beschwerden noch Arztbesuche in den letzten Jahren.

Auszug Fragebogen Wirbelsäule der Alten Leipziger

Dieser Fragebogen wurde an die Alte Leipziger geschickt und ein Monat später entfielen endlich, nach fast acht (!) Jahren, die Ausschlussklauseln für die Wirbelsäule.

Da würden wir mal sagen – Zeit ist es geworden. Jetzt genießt die Dame vollumfänglichen Schutz bei der Alten Leipziger Berufsunfähigkeitsversicherung. Immerhin beträgt der monatliche Beitrag 141,38 Euro und es sind knapp 2.500 Euro abgesichert, mit drei Prozent garantierter Rentensteigerung im Leistungsfall. Ebenso gibt es maximal fünf Prozent Beitragsdynamik, welche jedes Jahr angenommen werden sollten. 

Die Überprüfung hat bei der AL zwar etwas länger gedauert, aber das Ergebnis ist ebenso erfreulich gewesen wie beim Volkswohl Bund.


3. Kann man immer eine Überprüfungsmöglichkeit der Ausschlussklausel einbauen?

Nein, darauf gibt es kein Recht. Es gibt einfach Krankheitsbilder, die manifestiert sind. Hat man seit Jahren erhebliche Wirbelsäulenbeschwerden, geht regelmäßig zur Physiotherapie und hat vermehrt auch Krankheitstage – dann wird's schwierig mit einer Prüfmöglichkeit.
I. d. R. kann man sagen: „Bei einmaligen oder auch Erkrankungen, die vor kurzem auftraten, kann eine Prüfmöglichkeit eingebaut werden“. Insbesondere bei Erkrankungen, die eigentlich gar nicht so tragisch sind, welche aber eine gewisse zeitliche Nähe zur Antragsstellung aufweisen, ist dies ein beliebtes Mittel. Beispiel: Du möchtest zum 01.09. eine Berufsunfähigkeitsversicherung abschließen. Mitte Juni 2022 hattest Du aber einmalige Probleme an der Halswirbelsäule und musstest Dich drei Tage krankschreiben lassen. Wäre dies vor vier Jahren passiert, würden wir keine Unterlagen benötigen – die Eigenerklärung im Gesundheitsdaten Beiblatt würde genügen. Aber aufgrund der zeitlichen Nähe muss die Risikoprüfung auf Nummer sicher gehen und bietet eine Ausschlussklausel auf Zeit an, mit Prüfmöglichkeit in ein bis zwei Jahren. Man möchte somit abwarten, ob sich die vor kurzem aufkommenden Rückenbeschwerden als chronisch herausstellen.
Bei der Begutachtung Deiner, in simplr (=unsere Kunden Cloud) hochgeladenen Unterlagen, prüfen wir ja Deine Gesundheitshistorie und erkennen dann selber, ob wir der Risikoprüfung vorschlagen sollten, eine Prüfmöglichkeit einzubauen. Das sieht dann in unserer Mail an die Risikoprüfung so aus:

Wir geben also unseren (realistischen!) Wunsch der Risikoprüfung schon mit auf den Weg. Wenn wir eine Prüfmöglichkeit als vernünftig und vertretbar ansehen, dann äußern wir dies auch so gegenüber dem Underwriting der Gesellschaft.

Ausnahme: LV 1871 hat für Schüler / Studenten die Prüfung der Ausschlussklausel festgeschrieben

Die immer recht innovative LV 1871 Berufsunfähigkeitsversicherung hat in ihren Vertragsbedingungen eigentlich eine recht tolle Sache implementiert.
Das Problem insbesondere bei Schülern in der Berufsunfähigkeitsversicherung ist ja, dass die Annahmequote erheblich schwerer ist, als wenn man schon im Berufsleben verweilt. Der Grund ist so banal wie einfach = der Versicherer weiß noch nicht, welcher Beruf später mal ausgeübt wird. Körperlich oder Büro? Maurer oder Softwareentwickler? Assistenzärztin oder Krankenschwester? Aus diesem Grund fällt die Annahme viel härter aus. Dies bestätigte uns auf Nachfrage auch vor kurzem die Risikoprüfung der LV 1871, als wir mit einem Votum nicht ganz einverstanden waren (aufgrund eines Knick-Senk-Spreizfuß).

Somit ein kleiner Einblick in die Gedankenwelt & Denkweise eines Versicherers.

Für manche Erkrankungen hat die LV 1871 aber automatisch eine Prüfmöglichkeit bei Berufseinstieg eingebaut.

Diese Prüfmöglichkeit ist automatisch in jedes Vertragswerk integriert und muss nicht extra dazu gebucht werden. Auch aus diesen Gründen ist die Schüler BU der LV 1871 schon eine der besten Möglichkeiten für eine frühzeitige Absicherung. Das könnte und sollte in unseren Augen sprichwörtlich Schule machen.
Es ist ja auch im Interesse der Gesellschaft, dass der Kunde langfristig beim Unternehmen bleibt. Kann eine Ausschlussklausel nicht überprüft werden, obwohl wieder alles gut ist, würden wir auch selber darüber nachdenken, ob nicht ein Neuantrag mehr Sinn ergibt. Neubeginn der vorvertraglichen Anzeigepflichtverletzung (Falschangaben) muss natürlich beachtet werden. Aber grundsätzlich steigert die Überprüfungsmöglichkeit der Ausschlussklausel auch die Kundenzufriedenheit. 

Somit zum kleinen Einblick zu dieser wichtigen, aber oftmals unterschätzten Thematik in der Berufsunfähigkeitsversicherung.