Nach dem Update ist vor dem Update bei der Gothaer BU-Versicherung

Der mit Abstand größte Kritikpunkt von unserer Seite war die Tatsache, dass die Dynamik beim Erreichen der 250% Regelung endet. Sprich, wenn Du mit 1.000 Euro begonnen hast, eine Beitragsdynamik von fünf Prozent einbaust, endete die BU-Rentenhöhe knapp vor 2.500 Euro.

Das ist insbesondere für junge Leute natürlich eine mittlerweile Katastrophe, auch wenn die Nachversicherung sowie die Karrieregarantie weiterhin möglich wären (bis 6.000 Euro). Beide Punkte müssen aber proaktiv angegangen werden und nachdem Versicherungen nicht zum liebsten Kind von uns Deutschen gehören, dürften irgendwann tausende Gothaer Policen mit einer gedeckelten Rentenhöhe vorhanden sein, auch wenn man diese noch durch die Nachversicherung & Karrieregarantie erhöhen könnte. Jetzt wird diese unsägliche Deckelung endlich dahin gebracht, wo sie auch hingehört - auf das Abstellgleis (eigentlich wollte der Schreiber des Artikel “Scheiterhaufen” schreiben, aber irgendwie passt das auch nicht). So sieht nun in einem aktuellen Angebot die Dynamikberechnung aus:

Die Beitragsdynamik geht nun also “durch”, es gibt keine Begrenzung in Prozentzahlen. Es gibt an sich auch keinerlei Begrenzung. Auch nicht wie vom Schreiber des Artikel mit vorherigen, vermuteten 6.000 Euro. Das wäre zwar ein großer Wert gewesen, welcher identisch derzeit mit der Nürnberger ist, andere große Versicherer wie die Condor oder AXA haben sogar nur 5.000 Euro, aber bei nicht wenigen Versicherern geht´s oben drüber. Die LV 1871 hat übrigens keinerlei Deckelung nach oben, ebenso geht die Beitragsdynamik der LV 1871 bis 67 Jahre durch. Diese Regelung hat nun auch die Gothaer und ist somit spitze. Respekt! Sehr gut gelungen!

Auch ein kleiner Punkt, welchen wir kritisierten im ersten großen Update. Es gab keine belastbare Besserstellungsoption, welche insbesondere für junge Leute wie Schüler, Auszubildende oder Studenten sehr wichtig wäre. Ein Schüler in der Realschule bleibt nicht ewig Schüler in der Realschule. Gut ist, wenn man ohne erneute Risikoprüfung (= dies beinhaltet, dass es auch keine erneuten Gesundheitsfragen zu beantworten gibt) seine Einstufung überprüfen lassen kann. Das sollte ja auch immer im Sinne der Gesellschaft sein. Ein Grundschüler wird teurer eingestuft als später ein Gymnasiast. Könnte man dies nicht überprüfen lassen, würde der Vertrag mit Sicherheit mal storniert werden bei der Gothaer und man versichert sich woanders (falls es der Gesundheitszustand zulässt). Es ist also auch etwas wie ein Stornoschutz. 

Schüler haben generell einmal die Umstufungsmöglichkeit bei erstmaliger Aufnahme eines Berufes, einer Ausbildung oder eines Studiums bzw. beim Wechsel der Schulform. Generell haben alle Kunden in den ersten fünf Jahren die Möglichkeit, die Berufsgruppe nochmals prüfen zu lassen. Das ist grundsätzlich ein guter Schritt in die richtige Richtung, wobei es durchaus Versicherer gibt, welche es besser gelöst haben. Schließt der Schüler mit 16 Jahren eine Schüler-BU ab und startet mit 26 Jahren als Assistenzarzt nach dem Medizinstudium, wäre dies kein Grund für eine Überprüfung. Da gefällt uns z.B. die Lösung der LV 1871 Berufsunfähigkeitsversicherung besser, welche nach dem Einstieg ins Berufsleben dank der Zukunftsgarantie immer eine Prüfmöglichkeit anbietet. Die Richtung von Seiten der Gothaer BU-Versicherung stimmt aber und es muss ja immer etwas zum Optimieren übrig bleiben.

Schüler sind derzeit nicht der Schwerpunkt bei der Gothaer, hier gibt es noch etwas Verbesserungspotential. So liegt das frühestmögliche Eintrittsalter bei 15 Jahren, marktüblich sind zehn Jahre, bei der LV 1871 gibt es die Schüler BU sogar mit sechs Jahren. Es kann aber durchaus Varianten - insbesondere bei der Gesundheitsprüfung geben - wo die Gothaer eine Lösung darstellen kann (wobei es bei jungen Leuten auch bei der Nürnberger Schüler BU sowie bei der Baloise eine verkürzte Gesundheitsprüfung gibt - beides Anbieter, mit einer sehr guten Absicherung für Schüler).

Eine erste, leichte Verbesserung für Schüler stellt die Tatsache dar, dass nun nachträglich bei Beginn einer Ausbildung, Studium oder dem Berufsstart die Beitragsdynamik auf bis zu fünf Prozent angehoben werden kann. Erinnert wiederum auch etwas an die Zukunftsgarantie der LV 1871 (wobei dies nur bei Berufsstart möglich wäre).

Die Karrieregarantie erlebt derzeit einen kleinen Boom. Angefacht von der LV 1871 (die kommt gerade aber oft vor in dem Artikel), nachgebaut von der Nürnberger und im Sommer von der Gothaer - welche diese nun auch für Selbstständige anbietet. Angestellte, in einem befristeten Angestelltenverhältnis guckten bisher in die Röhre, hier ist die Gothaer nun aber auch “First Mover” und bieten nun auch dieser Kundengruppe die Karrieregarantie an - die Befristung muss aber mind. zwei Jahre betragen. Gut gemacht, ein erster Schritt in die passende Richtung. Hat schon Sinn gemacht, dass wir dieser Thematik einen eigenen Artikel widmeten, mit "Karrieregarantie in der Berufsunfähigkeitsversicherung”. 

Wie schon öfters von uns erwähnt - insbesondere der Markt für die künftigen Erhöhungsmöglichkeiten / Nachversicherung ist derzeit sehr dynamisch. Das ist wirklich ein guter Segen für den Verbraucher, denn frühere BU-Verträge waren doch sehr eingeschränkt und unflexibel. So wird die BU-Versicherung immer mehr zum Lebensbegleiter, welchen man aktiv anpassen muss - insbesondere bei akademischen Berufen mit künftigen Gehaltssteigerungen, welche klar über der Inflationsrate liegen (dafür haben wir ja die Beitragsdynamik).

Für uns in der Praxis kein sooo extrem wichtiger Punkt, aber in unserer Beratung zur Berufsunfähigkeitsversicherung fiel die Thematik des altersentsprechenden Kräfteverfall auf. Denn nach der erfolgten Risikovoranfrage, stellen wir unseren Interessenten die verschiedenen Voten per Mail vor, geben wichtige und individuelle Hinweise, hinterlegen dies aber auch mit einem umfangreichen Vergleich mit der Software Morgen & Morgen. Als zweiten Punkt kommt hier die Thematik des Kräfteverfall als Vergleichspunkt. Rot ist negativ für den Verbraucher, das ist nicht gut. Grün ist gut und Gelb geht gerade noch. Jetzt wirklich ganz banal gesprochen. 

Wir haben also die Gothaer darauf hingewiesen, dass es für sie alleine aus Marketinggründen schon nicht ganz so gut ist. Ob wir jetzt der Stein des Anstoßes waren für die Änderung, wissen wir nicht. Kann aber durchaus sein. 

Auf jeden Fall hat die Kölner Gesellschaft (Hauptsitz der Gothaer) die Definition des altersentsprechenden Kräfteverfalls überarbeitet, dieser wird nun auch anerkannt.

• Auch die Gothaer bietet eine Grundfähigkeitsversicherung an, namens Fähigkeitenschutz. Bei dieser kann man nun bei zwei bestimmten Ereignissen ohne erneute Risikoprüfung in die Berufsunfähigkeitsversicherung wechseln. Nämlich bei Beginn einer Ausbildung oder eines Studiums oder bei der Aufnahme einer beruflichen Tätigkeit Der Wechsel erfolgt in der selbigen Rentenhöhe, aber maximal 3.000 Euro monatlicher BU-Rente. Der bisherige Vertrag der Grundfähigkeitsversicherung darf keinen Ausschluss oder Risikozuschlag beinhalten. 
• In der konventionellen Zusatzversicherung zur Berufsunfähigkeit ist nun auch eine zinslose Stundung von bis zu 36 Monaten möglich. Bisher war dies wohl nur bei der eigenständigen BU-Versicherung bei der Gothaer möglich.

Sehr erfreulich, dass einige offensichtliche Schwächen nun innerhalb eines halben Jahres ausgebessert wurden. Schade ist nur, dass diese nicht für die bisherigen Verträge gelten, aber da ist die Gothaer nicht alleine. Verbesserungen gelten i.d.R. nur für Neuabschlüsse. Diese profitieren aber von einem guten Bedingungswerk, welches mit der Spitzenklasse so langsam am Markt mithalten kann. Die Gesundheitsfragen sind weiterhin spitze und sehr kundenfreundlich, fast schon zu kundenfreundlich. Das sorgte indessen dafür, dass wir seit dem Sommer eine kleine Anzahl an zweistelligen Verträgen bei der Gothaer platziert haben. 

Interessant wird es zu beobachten sein, wie die Gothaer ihre internen Prozesse in den Griff bekommt. Zum einen ist die IT bzw. der Tarifrechner -dezent gesagt- etwas veraltet. Zum anderen wurde man seit Sommer regelrecht überrannt mit Neugeschäft und die Strukturen sind nicht im selben Maße mitgewachsen. Das sorgt für eine recht lange Bearbeitung unserer Risikovoranfragen sowie (noch schlimmer) für wirklich unnötige Rückfragen zu unseren Anträge. Da merkt man direkt, dass man bis Sommer 2023 nicht wirklich große Berührungspunkte mit Verträgen bzw. mit der Vorgehensweise der spezialisierten BU-Makler zu tun hatte. Wir geben aber weiterhin Feedback und hoffen, dass diese Probleme gelöst werden. 

Unabhängig davon ist das Update (mit dem extrem wichtigen Punkt) aber positiv ausgefallen. Die Spitze wird enger am BU-Markt.